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Das Islamische Kulturzentrum in Manhattan war die erste Moschee New Yorks. Sie wurde 1991 fertiggestellt.

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Eine Messerattacke hinterließ bei Ahmad Scharif eine Wunde am Hals.

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Anlass für die Übergriffe ist die geplante Moschee am Ground Zero.

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New York / Washington - Es musste ja so kommen, meint Ibrahim Hooper. Es war ja abzusehen. "Eine Rhetorik des Hasses führt oft zu Verbrechen des Hasses, und ich denke, das erleben wir jetzt." Der Sprecher des Council on American-Islamic Relations, einer Organisation von US-Muslimen, sieht eine Welle der Feindseligkeit auf seine Gemeinde zurollen, schlimmer als nach dem 11. September 2001.

Der Mordversuch an einem New Yorker Taxifahrer, einem aus Bangladesch stammenden Familienvater, hinterlässt tiefe Ratlosigkeit. Kaum hatte er seinen Schock überwunden, erzählte Ahmad Scharif, ein 44 Jahre alter Cabbie, von einem Fahrgast, der ihm anfangs noch freundliche Fragen stellte, etwa zum Fasten im Ramadan. Dann habe der junge Mann eine Weile geschwiegen, plötzlich sei er von hinten mit einem Messer auf ihn losgegangen, habe versucht, ihm die Kehle aufzuschlitzen. "Das ist der Checkpoint" , soll er gerufen haben. "Ich muss dich ausschalten." Die Plexiglasscheibe, die Chauffeure von ihren Passagieren trennt und nur einen kleinen Spalt offen lässt, rettete Scharif das Leben. Geistesgegenwärtig lenkte er sein Taxi in die Nähe einer Polizeistreife, die den Messerstecher festnahm, bevor er fliehen konnte.

Was genau den 21-jährigen Michael Enright antrieb, wird derzeit von Detektiven geklärt. Im Frühjahr war der Filmstudent für fünf Wochen in Afghanistan, wo er Marineinfanteristen bei ihrer Offensive in der Provinz Helmand begleitete. In seinem Rucksack fand man eine leere Flasche Scotch. Im politischen Diskurs gilt Enrights blutige Tat als Alarmsignal, als Indiz dafür, was die verbale Hysterie des Sommers für Folgen haben kann.

Es begann mit dem Plan, zwei Straßen hinterm Ground Zero ein islamisches Zentrum mit Moschee zu bauen. Angehörige der Opfer der Anschläge auf das World Trade Center sprachen von einem Sakrileg an einem heiligen Ort, während andere das Projekt als Symbol der Toleranz begrüßten. Schlichtende Politiker betonten, dass sie die Emotionen der Hinterbliebenen sehr gut verstehen, egal in welche Richtung sie gehen. Inzwischen sieht Michael Bloomberg, der New Yorker Bürgermeister, aber immer mehr Trittbrettfahrer auf den Zug springen, die vor den Kongresswahlen im Herbst nur die Stimmung anheizen wollen: Den meisten Johlenden sei die Moschee an sich völlig gleichgültig.

Robert Reich, unter Bill Clinton Arbeitsminister, heute ein scharfzüngiger Kolumnist, macht die Verunsicherung der Wirtschaftskrise verantwortlich für die populistische Welle. "Wo kommt das alles her?", fragt er in einem Essay. "Man nennt es Angst. Wenn die Leute Angst haben, dass sie ihr Haus, ihren Job, ihr Erspartes verlieren, suchen sie jemanden, dem sie die Schuld geben können."

Ein Einzelfall sind die Messerstiche gegen den Cabbie jedenfalls nicht. Im kalifornischen Madera warfen Unbekannte vor wenigen Tagen Steine in die Fensterscheiben einer Moschee und kritzelten bösartige Sprüche auf Pappschilder - "Kein Tempel für den Gott des Terrors!"

In Gainesville in Florida will Pfarrer Terry Jones am 11. September einen Stapel von Koranausgaben verbrennen. Das heilige Buch des Islam stecke voller Lügen, sagte er der New York Times, räumte aber ein, es nie gelesen zu haben.

Vertreter muslimischer Verbände sehen in alledem eine gefährliche Wende. Nach den Terroranschlägen vom 11. September hatte die politische Klasse noch geschlossen zur Besinnung aufgerufen, auch der damalige Präsident George W. Bush. Damals besuchte Bush eine Moschee und fand klare Worte: "Islam ist Frieden" . Heute gießen prominente Politiker Öl ins Feuer. Eine Moschee am Ground Zero, eifert der Republikaner Newt Gingrich, das wäre wie ein Hakenkreuz am Holocaustmuseum in Washington.

Arsalan Iftikhar, ein US-pakistanischer Bürgerrechtler, spricht von einer neuen Qualität des Hasses: "Wir beginnen, uns wie Albert Camus zu fühlen. Wie Fremde in einem fremden Land." (Frank Herrmann/DER STANDARD, Printausgabe, 28.8.2010)