Nicht immer können Feuerwehrmitglieder die Bilder eines Einsatzes verarbeiten.

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Pater Stephan Holpfer ist Landesfeuerwehrkurat und Feuerwehrpeer der ersten Stunde.

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Bei der Gasexplosion in Wilhelmsburg 1999 halfen den Einsatzkräften noch Peers des Roten Kreuzes.

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Peers sind "normale" Feuerwehrmitglieder ohne spezieller Kennzeichnung aber mit psychologischem Grundwissen.

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Es ist der 2. Dezember 1999 um halb sieben am Abend, als in Wilhelmsburg in Niederösterreich Katastrophenalarm gegeben wird. Ein Wohngebäude war nach einer Gasexplosion in sich zusammengebrochen, die Einsatzleitung der Feuerwehr geht von bis zu vierzig vermissten Personen unter den Trümmern aus.

30 Stunden lang arbeiten etwa 620 Freiwillige Feuerwehrleute, um Verletzte und Tote aus dem Schutthaufen zu bergen. Die Bilder der Katastrophe gehen um die Welt. Bilder, welche die Einsatzkräfte ohne psychologische Betreuung durch speziell geschulte Mitarbeiter des Roten Kreuzes nicht verarbeitet hätten: den Peers.

Nach diesem Unglück war klar, auch die Freiwilligen Feuerwehren in Niederösterreich benötigen solch ausgebildete Kameraden. Seit dem Jahr 2001 sind Peers nun im Landesfeuerwehrverband tätig. "Der Hintergedanke bei den Peers ist, dass Kameraden für Kameraden da sind", erklärt Pater Stephan Holpfer, den Grundgedanken der jungen Ausbildung. "Nach einem tragischen Einsatz ist es wichtig, dass die Einsatzkräfte über das Geschehene mit jemandem reden können, der 'dieselbe' Sprache spricht." 

2000 starben acht Jugendliche bei einem Busunglück

Der Landesfeuerwehrkurat ist seit 1992 als Seelsorger in der Feuerwehr tätig und war schon vor der Gründung der Peers bei Großeinsätzen als Ansprechpartner vor Ort. So etwa auch am 21. August 2000 auf der A1 Westautobahn bei Pöchlarn, als ein Reisebus mit Kindern und Jugendlichen von einem Sattelschlepper gerammt wurde und acht Jugendliche ihr Leben verloren. "Ich habe bei dem Einsatz damals sehr intuitiv gehandelt", erzählt Pater Stephan. "Oft hat es geholfen, einfach nur neben den Einsatzkräften zu stehen, bei der Totenbergung mitzuhelfen oder ein freies Gebet zu sprechen." 

Anforderungen an werdende Peers

Die Ausbildung zum Feuerwehrpeer umfasst dreimal zwei Tage Kurs in der Landesfeuerwehrschule in Tulln, der unter der Leitung des Psychologen Cornel Binder-Krieglstein abgehalten wird. Dort werden den Auszubildenden Grundlagen der psychologischen Betreuung in den Dienst mitgegeben. "Damit man ein Peer werden kann, muss man mindestens 25 Jahre alt, Mitglied einer Feuerwehr und unter den Kameraden angesehen sein", sagt Julia Marx, Ansprechpartnerin für die Peers im Landesfeuerwehrkommando. 

Jährliche Fortbildung verpflichtend

Außerdem führen Kommandant und Bezirksfeuerwehrkommandant ein Einführungsgespräch mit jedem Interessierten. "Dabei kristallisiert sich dann schnell heraus, ob jemand für die Aufgabe geeignet ist oder nicht", so Pater Stephan. Außerdem ist jeder Peer dazu verpflichtet, eine jährliche Fortbildung zu absolvieren. Damit soll sichergestellt werden, dass die Aufgabe auch weiterhin ernst genommen wird. Insgesamt gibt es niederösterreichweit 40 Peers, deren Namen in den Alarmzentralen aufliegen müssen.

Alarmierung über Einsatzleiter oder Kommandant

Jeder Einsatzleiter bzw. Feuerwehrkommandant kann die Peers des Bezirkes dann entweder über die Landeswarnzentrale oder die jeweiligen Bezirksalarmzentralen bei Bedarf anfordern. "Am besten ist es, wenn die Peers gleich nach dem Einsatz im Feuerwehrhaus sind und erste Gespräche führen", sagt Pater Stephan. Bei Großeinstätzen wäre es sogar ratsam, direkt am Einsatzort dabei zu sein. Die Gespräche würden dann in etwa eine Stunde dauern, "weil ansonsten wiederholt man sich ja ständig". Erst nach einer Zeit könne man dann entscheiden, ob ein Feuerwehrmitglied eine weitere Betreuung benötigt oder gar einen Psychologen aufsuchen sollte.

Die Akzeptanz der Peers unter den Kameraden sei laut Pater Stephan hoch: "Dabei ist es auch egal, ob das eine Frau oder ein Mann ist. Wenn die Hilfe benötigt wird, dann gibt es keine Vorurteile." Damit die psychologisch geschulten Kameraden über Erlebtes und Gehörtes sprechen können, gebe es regelmäßig so genannte "Viertelgespräche", bei denen sich die Peers des gleichen Einsatzgebietes treffen und austauschen können. 

Keine einheitlichen Symptome nach Stresseinsätzen

Und wanngenau sei es ratsam, einen Peer anzufordern? "Wenn man merkt, dass einem die Situation zu viel wird", sagt Pater Stephan. Standardisierte Symptome gäbe es nicht, "jeder Einsatz ist unterschiedlich und jeder Kamerad geht unterschiedlich mit dem Erlebten um". Trotzdem würden gewisse Auswirkungen immer wieder vorkommen, wie "dass man immer wieder von dem Einsatz träumt oder nach einem Verkehrsunfall bewusst die Einsatzstelle mit dem eigenen Auto vermeidet", erzählt der Landesfeuerwehrkurat. 

Außerdem sei es möglich, dass man, nachdem man eine Wasserleiche geborgen hat, bei jeder Berührung mit Wasser die Bilder wieder sehen würde oder sich nach einem Brandopfer keine Zigarette mehr anzünden könne, ohne den Einsatz aufs Neue zu erleben. Wenn ein Feuerwehrmitglied solche Erfahrungen mache, könne er sich auch selbst bei den Peers melden und Hilfe anfordern.

Für die Zukunft sei es wichtig, dass das Angebot der Feuerwehrpeers regional noch bekannter werde und Kommandanten sich öfter "trauen", Hilfe anzufordern. Außerdem hofft Pater Stephan, dass sich noch mehr Feuerwehrleute für die Ausbildung melden, damit auch weiterhin Helfer Hilfe erhalten können. (bbl, derStandard.at, 27.08.2010)