Im 14. Jahrhundert kämpften Kreuzritter gegen die Sarazenen. Der Begriff bezeichnete ursprünglich einen Volksstamm im Nordwesten der Arabischen Halbinsel, später war er Sammelbegriff für Muslime. Mehr als 600 Jahre später kämpft Namensvetter Sarrazin (unten) mit scharfen Worten.

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Zitiert

"Ich muss niemanden anerkennen, der vom Staat lebt, diesen Staat ablehnt, für die Ausbildung seiner Kinder nicht vernünftig sorgt und ständig neue kleine Kopftuchmädchen produziert."

Bundesbanker Thilo Sarrazin über Berliner Migranten in einem Interview mit "Lettre International" im Oktober 2009.


"Eine große Zahl an Arabern und Türken (...) hat keine produktive Funktion, außer für den Obst- und Gemüsehandel, und es wird sich auch vermutlich keine Perspektive entwickeln."

Sarrazin ebendort

 

 

"Bei keiner anderen Religion ist der Übergang zu Gewalt und Terrorismus so fließend."

Sarrazin über Muslime in seinem Buch

 

 

"Ganze Clans haben eine lange Tradition von Inzucht und entsprechend viele Behinderungen. "

Sarrazin ebendort über Türken

 

"Die Araberjungen kommen an ihre arabischen Mädchen nicht ran. Sie nutzen die leichter zu kriegenden deutschen Unterschichtmädchen."

Sarrazin im Interview in der neuesten Ausgabe der Hamburger "Zeit"

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Nun wird auch der Ruf nach Konsequenzen in der Bundesbank laut. Die NPD hingegen ist angetan

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Mit der anfänglichen Zurückhaltung ist es in der SPD endgültig vorbei. Thilo Sarrazin sei ein "unterbeschäftigter Bundesbanker mit ausgeprägter Profilneurose", der den Namen der SPD missbrauche, schimpft SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles über den Genossen Sarrazin, der von 2002 bis 2009 Berliner Finanzsenator war.

Sein Buch Deutschland schafft sich ab (Deutsche Verlagsanstalt) erscheint zwar erst am Montag, Sarrazins Thesen über Muslime (hauptsächlich anpassungsunwillig, bringen mehr Kosten als Nutzen, unterwandern die deutsche Gesellschaft) sorgen jedoch schon jetzt für Aufregung. Ein "perfides, vergiftetes Spiel mit Ängsten und Vorurteilen" nennt es Nahles.

Entsetzt ist auch der Zentralrat der Juden in Deutschland, er fordert Sarrazin auf, zur rechtsextremen NPD zu wechseln. Zwar seien Sarrazins "rassistische Hasstiraden" nicht neu, erklärt der Generalsekretär des Zentralrats, Stephan Kramer. Dennoch: "Ich würde Herrn Sarrazin den Eintritt in die NPD empfehlen, das macht die Gefechtslage wenigstens klarer und befreit die SPD."

In der NPD ist man ohnehin sehr von Sarrazins Buch angetan. "Thilo Sarrazin schreibt ein regelrechtes NPD-Buch. Mit seiner Kernaussage 'Ich möchte nicht, dass wir zu Fremden im eigenen Land werden' vertritt Sarrazin eine jahrzehntealte, lupenreine NPD-Position", lobt der sächsische NPD-Abgeordnete Jürgen Gansel. Besonders angetan haben es Gansel diese Passagen aus dem Werk: "Wenn ich den Muezzin hören will, buche ich eine Reise ins Morgenland." Und: "Ich möchte, dass auch meine Urenkel noch in 'Deutschland' leben können".

Großes Unbehagen hingegen herrscht in CDU. Nach der ungewöhnlich scharfen Kritik der deutschen Kanzlerin Angela Merkel an Sarrazins Aussagen, stellt nun Ruprecht Polenz (CDU), der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Sarrazins Verbleib im Vorstand der Bundesbank infrage: "Ich frage mich, wie lange die Deutsche Bundesbank dem noch tatenlos zuschauen will."

Sarrazin bekleide ein "hohes nationales Amt". Wenn ein so wichtiger Funktionsträger mit Vorurteilen und "bösartigen Verallgemeinerungen" operiere, "wird auch das Bild Deutschlands im Ausland eingetrübt".

Abberufung schwierig

Auch Grüne und Linke fordern Sarrazins Entlassung aus der Bundesbank. Doch das ist nicht so einfach. Vorstandsmitglieder der Bundesbank können nur vom Bundespräsidenten abberufen werden. Den entsprechenden Antrag muss der Bundesbank-Vorstand stellen. Dafür gelten jedoch strikte Regeln.

Einerseits können Vorstände entlassen werden, wenn die Voraussetzungen für die Ausübung ihres Amtes nicht mehr erfüllt sind, wenn sie also zum Beispiel schwer krank sind. Der zweite Grund sind "schwere Verfehlungen", die nicht näher ausgeführt werden. In der Bundesbank heißt es zum umstrittenen Buch: "Das ist eine private Angelegenheit von Herrn Sarrazin, er äußert darin seine persönliche Meinung."

Nach ähnlich abfälligen Äußerungen Sarrazins 2009 (siehe Zitiert) hat ihn die Bundesbank zumindest entmachtet. Er musste die Zuständigkeit für den wichtigen Bereich "Bargeld" abgeben.

Sarrazin selbst sagt in der Zeit: "Ich bin kein Rassist." Das Berliner Haus der Kulturen der Welt (eine Art Multikulti-Zentrum in der deutschen Hauptstadt) hat eine geplante Lesung mit ihm abgesagt, da Sarrazin sich weigerte, einen "kritischen Gesprächspartner" auf dem Podium zu akzeptieren. Dies könne man nicht tolerieren. (Birgit Baumann, DER STANDARD, Printausgabe 27.8.2010)