Ein Wanderweg durch eine Sprühwolke aus Feucht und Heiß: "Cloudscape" von Tetsuo Kondo (Japan) und Transolar (Deutschland) bei der Architekturbiennale 2010.

Foto: Wojciech Czaja

Besonderen Spaß bereitet das Spiel mit Wasser in allen Aggregatszuständen.

Jetzt ist es fix. Die Architektur ist zur Kunst mutiert. Noch nie waren die Beiträge auf der Biennale in Venedig so künstlerisch entschwebt wie heuer. Mit dem Leitmotiv "People meet in Architec-ture", ausgerufen von der diesjährigen Direktorin Kazuyo Sejima (54), konnten die meisten Kuratoren offenbar wenig anfangen. Jeder macht, was er will, und das auf gar nicht schlechte Weise, doch mit dem Treffpunkt Architektur haben die meisten Beiträge so viel zu tun wie ohne ihn. Man trifft sich halt. Unweigerlich.

Ein besonders schöner Treffpunkt ist auf der gewundenen Stahlbrücke hoch oben in den Wolken. Die Installation Cloud-scapes, ein Kooperationswerk des japanischen Architekten Tetsuo Kondo und des deutschen Klimaingenieursbüros Transsolar, entführt die Besucher auf einen 70 Meter langen Wanderweg, vorbei an den mächtigen Ziegelsäulen der Corderiehalle und mitten durch eine Sprühwolke aus Feucht und Heiß. Die Aussicht aus sechs Meter Höhe, ganz nah an der Decke des Arsenale, benebelt.

"Ich wollte einen Perspektivenwechsel schaffen", sagt Tetsuo Kondo zum Standard. "Ich wollte, dass sich der Blick nicht nur mit dem Wechsel des Standpunkts verändert, sondern auch mit einer neuen Atmosphäre, mit einem neuen Aggregatzustand zwischen Sauerstoff und Wasser." Und überhaupt die Wolken: "Sie sind nicht nur schön. Sie sind die wichtigsten Elemente, die dem Freiraum einen Rahmen geben."

Auch die Polen verlieren sich in den Wolken. Die zappendustere Installation Emergency Exit von Agnieszka Kurant und Aleksandra Wasilkowska besteht aus rund 600 geflochtenen Stahlgitterwürfeln, die zu einer Treppenlandschaft gestapelt sind. Betreten erlaubt, Erklimmen erwünscht. Oben angekommen, darf man Anlauf nehmen und ins nebelige Nichts hinunterspringen. Man landet kommod in einem professionellen Luftpolster. "Wir wollten den städtischen Bewohnern einen Fluchtweg anbieten", erklärt Kurant. "Der Sprung in die Wolken ist eine Metapher dafür, dass es möglich ist, aus der kontrollierten Wirklichkeit auszubrechen, wenn man nur will." Was das mit dem Biennale-Motto "Treffpunkt Architektur" zu tun hat? "Unsere Arbeit ist ein Aufruf zur Partizipation, zur Selbstorganisation im System Stadt."

Der dänische Künstler Olafur Eliasson lässt peitschende, schlangenförmige Wasserstrahlen im Stroboskoplicht aufblitzen. Die Japanerin Junya Ishigami baut ein Luftschloss, an dem die meisten Besucher unbedacht vorbeihuschen. Die Konturen sind von hauchdünnen, kaum sichtbaren Stäben aufgebaut, den Rest muss man sich denken. Und Anton Garcia-Abril aus Spanien lässt einen tonnenschweren Betonträger, als würde dieser nichts wiegen, auf einer selbstgeschweißten Stahlspirale balancieren. Gänsehaut.

Der österreichische Pavillon in den Giardini kann da nicht mithalten, was auch auf all die anderen Länderbeiträge zutrifft, die einzelne Projekte ausstellen, anstatt sich selbst zum Projekt zu erklären. Der kalifornische Architekt und Österreich-Kommissär Eric Owen Moss zeigt 64 Arbeiten österreichischer Architekten im Ausland sowie ausländischer Architekten in Österreich. Der Titel Austria Under Construction erschließt sich in Form eines Gerüsts, auf dem Pläne, Fotos, Filme und Modelle ausgestellt sind.

"Der österreichische Beitrag ist ein klares Bekenntnis zur Weltoffenheit und Internationalität", sagte Kulturministerin Claudia Schmied am Donnerstag. "Wir müssen uns öffnen für das Neue, für das Unorthodoxe." Andere Länder haben diesen Öffnungsprozess bereits hinter sich. (Wojciech Czaja, DER STANDARD – Printausgabe, 27. August 2010)