Belgrad -  Der deutsche Sußenminister Guido Westerwelle hat Serbien aufgefordert, sich mit der Abspaltung seiner ehemaligen Provinz Kosovo abzufinden. "Die Unabhängigkeit des Kosovos ist Realität", sagte Westerwelle am Donnerstag in Belgrad. Zugleich appellierte er an die serbische Führung, auf die geplante UNO-Resolution gegen das Kosovo zu verzichten und direkte Gespräche mit Pristina aufzunehmen.

Der Besuch in Belgrad galt als schwierigster Teil einer dreitägigen Reise durch das ehemalige Jugoslawien. Der FDP-Chef kam unter anderem mit Präsident Boris Tadic und Regierungschef Mirko Cvetkovic zusammen. Westerwelle bot im Kosovo-Streit die Vermittlung der Europäischen Union an. "Versöhnung kann nur gelingen, wenn man sich der Realität stellt."

Die ehemalige südserbische Provinz - mehrheitlich von Albanern bewohnt - hatte sich 2008 für unabhängig erklärt. Die meisten EU-Mitglieder haben den jüngsten europäischen Staat anerkannt. Auch der Internationale Gerichtshof als höchste UNO-Justizinstanz erklärte, dass die einseitige Abspaltung nicht im Widerspruch mit dem Völkerrecht gewesen sei.

Neue Verhandlungen

Mit der UNO-Resolution will Belgrad im September neue Verhandlungen über den staatsrechtlichen Status seiner Ex-Provinz erzwingen. Alle Appelle, darauf zu verzichten, blieben bisher fruchtlos. Westerwelle sagte dazu, der Konflikt sollte zwischen Europäern gelöst werden. "Das, was uns betrifft, gehört nach Brüssel und nicht nach New York." Seinem Wunsch zufolge werden Belgrad und Pristina einmal gemeinsam am Verhandlungstisch in Brüssel sitzen. Fünf der 27 EU-Staaten erkennen den Kosovo nicht als unabhängig an.

Belgrader Medienberichten zufolge ist Serbien in der Frage der UNO-Resolution gesprächsbereit. Laut der Tageszeitung "Blic" dürfte Belgrad bereit sein, die Resolution abzuändern, sollte Serbien einen genauen Termin für die Annahme seines EU-Beitrittsantrags durch Brüssel sowie Sicherheitsgarantien für die Kosovo-Serben erhalten. Der kosovarische Außenminister Skender Hyseni rechnet indes mit einer Niederlage Serbiens bei der UNO-Abstimmung. Der Kosovo habe sich nämlich die Unterstützung von "Dutzenden Staaten" gegen die serbische Resolution gesichert, sagte er am Mittwoch in Pristina.

In einer Rede vor der Universität Belgrad betonte Westerwelle, Serbien habe ebenso wie die anderen Staaten des westlichen Balkans eine "Beitrittsperspektive" zur Europäischen Union. "Aber der Weg dahin ist mühselig und anstrengend." Auf einen Termin für eine mögliche Aufnahme legte er sich nicht fest. Westerwelle ging auch auf die Klagen von deutschen Unternehmen über Korruption und politische Behinderungen ein. Dabei brachte er nach eigenen Angaben auch den Fall der Mediengruppe WAZ ("Westdeutsche Allgemeine Zeitung") zur Sprache, die sich aus Serbien zurückziehen will. Details nannte er nicht.

Westerwelle, der seine Balkan-Reise am gestrigen Mittwoch in Zagreb begonnen hatte, besucht noch Sarajevo und Pristina. Im Kosovo will Westerwelle am Freitag auch das deutsche Kontingent der KFOR-Truppen mit insgesamt 1400 Bundeswehr-Soldaten besuchen. Vor dem Besuch Westerwelles gab die kosovarische Regierung am heutigen Donnerstag bekannt, fünf Millionen Euro für den Wiederaufbau im serbischen Nordkosovo bereitstellen zu wollen. Dieser Landesteil entzieht sich derzeit der Kontrolle der Regierung in Pristina.

Der Chef der UNO-Kosovo-Mission (UNMIK), Lamberto Zannier, rief Belgrad und Pristina indes zu einem Dialog auf. Die Vereinten Nationen seien bereit, den Dialog zu unterstützen, doch müsse der EU die führende Rolle zukommen, sagte der italienische Diplomat laut serbischen Medienberichten vom Donnerstag. Aus Belgrad hieß es dazu, ein Dialog sei erst nach dem Votum der UNO-Generalversammlung möglich. (APA)