Die Finanzkrise scheint überstanden, die globale Rezession ebenso, und dennoch herrscht diesen Sommer Katzenjammer in der Weltwirtschaft und an den Börsen. Schuld daran ist die bedrohliche Schwäche der US-Konjunktur, der nach Meinung vieler Ökonomen sogar ein Rückfall in eine neuerliche Rezession droht.

Diese düstere Aussicht versetzt die US-Demokraten im Vorfeld der Kongresswahlen im November in Panik, bei denen die Wirtschaftslage der wahlentscheidende Faktor werden dürfte. Dahinter aber steht noch eine tiefere, grundsätzliche Sorge. Die einst gefeierte amerikanische Jobmaschine ist gefährlich ins Stocken geraten. Und es ist in erster Linie die Angst um den Arbeitsplatz, die den amerikanischen Konsumenten und damit das Wirtschaftswachstum bremst.

Erstmals seit Jahrzehnten leiden die USA mit rund 9,5 Prozent unter einer höheren Arbeitslosigkeit als Deutschland (7,5 Prozent). Das liegt nicht nur an den höheren Wachstumsraten in den exportorientierten Staaten in Nord- und Mitteleuropa, sondern noch mehr an Strukturveränderungen dies- und jenseits des Atlantiks.

Zumindest in Deutschland wurde die berüchtigte Eurosklerose - stagnierende Beschäftigung trotz Wachstums - überwunden, und dazu hat die ungeliebte Hartz-IV-Reform mit ihren strikten Auflagen für Arbeitslose viel beigetragen. Erstmals führt eine Hochkonjunktur in der Industrie dazu, dass auch in Dienstleistungsbereichen neue Stellen entstehen. Die Bezahlung ist oft mickrig, aber auch ein schlechter Job ist immer noch besser als gar keiner.

Das ist genau das Phänomen, das den amerikanischen Arbeitsmarkt so lange ausgezeichnet hat. Dort hat sich jedoch vieles zum Schlechteren gewendet. Eigentlich müsste die Arbeitslosigkeit schon längst zurückgegangen sein. Die Unternehmen machen gute Gewinne, und auch wenn viele wegen wirtschaftlicher Unsicherheiten mit Neuanstellungen zögern, fehlt es in zahlreichen Regionen nicht an Jobangeboten. Doch immer mehr Arbeitgeber klagen darüber, dass sie die offenen Stellen nicht füllen können.

Ein wichtiger Grund ist die geplatzte Immobilienblase: Millionen von Amerikanern können ihr Haus nicht verkaufen, weil die Hypothek größer ist als der Marktwert. Deshalb können sie nicht dorthin übersiedeln, wo es Jobs gibt. Die unsinnige Förderung von Eigenheimen schränkt nun die Mobilität der Arbeitnehmer ein.

Und auch fehlende Qualifikationen stehen vielen Anstellungen im Weg. Hier bekommt nun die US-Wirtschaft den jahrzehntelangen Niedergang des Schulwesens zu spüren.

"Jobless Growth": Europas langjähriges Schicksal ereilt nun die USA und verdirbt US-Präsident Barack Obama die sonst ganz passable wirtschaftspolitische Bilanz. Deutschland hingegen erntet nun die Früchte von Gerhard Schröders so umstrittener Agenda 2010. Aber auch dort gibt es noch Handlungsbedarf, etwa beim Kündigungsschutz. Und in Frankreich und den Staaten in Südeuropa ist die hohe Arbeitslosigkeit vor allem die Folge eines verknöcherten Arbeitsmarktes.

Nach der Hochsaison für Makroökonomen während der Finanzkrise ist nun daher die Stunde der Arbeitsökonomen gekommen, die Wege zeigen, wie bei gleichem Wachstum mehr Jobs entstehen können. Und erstmals seit Jahrzehnten müssen auch die USA überlegen, wie sie ihren Arbeitsmarkt wieder in Gang bringen können. (Eric Frey, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 26.8.2010)