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Eine der Hauptursachen für die "Überziehung" des Lehrerkontingents ist die steigende Zahl der Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf, so die Länder.

Foto: apa/schlager

Wien - Der Vorwurf lautet: Die Länder stellen mehr Lehrerinnen und Lehrer ein, als sie dürften. Und dann zahlen sie auch noch weniger Geld an den Bund zurück, als der für diese außerplanmäßigen Pädagogen vorstreckt.

Warum aber überziehen denn die Länder ihren "Kontorahmen" im Pflichtschullehrerbereich - und zwar ausnahmslos alle neun? Im Schuljahr 2008/09 (letztverfügbare Daten) haben sie den mit dem Bund im Finanzausgleich vereinbarten Stellenplan um insgesamt 1742 Posten überzogen:

  • Kärnten +617 (4591)
  • Oberösterreich +305 (11.545)
  • Niederösterreich +183 (11.605)
  • Vorarlberg +161 (3465)
  • Steiermark +117 (8240)
  • Tirol +111 (5689)
  • Wien +99 (10.425)
  • Burgenland +93 (1977)
  • Salzburg +38 (4213)

Der Standard fragte bei einem "Großeinkäufer" und beim "Vorzugsschüler" in Sachen Lehrerstellenplan nach: Warum kommen Sie mit Ihrem Lehrerkontingent nicht aus, Herr Präsident?

Da der amtsführende Kärntner Landesschulratspräsident am Mittwoch nicht erreichbar war, nutzte sein Kollege in Oberösterreich, Fritz Enzenhofer (ÖVP), die Gelegenheit, um mitzuteilen, dass es ihm im vergangenen Schuljahr gelungen ist, von 305 auf 200 Extralehrer zu kommen. So viele zusätzliche Lehrer habe sich das Land Oberösterreich selbst finanziert, um die im Landesgesetz verankerte Klassenschülerhöchstzahl 25 umzusetzen - auf Bundesebene gilt sie nur als "Richtwert".

Um dieses von Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) angestrebte Klassenziel flächendeckend zu realisieren, reiche die Zahl der Lehrer im Stellenplan "auf keinen Fall" aus, sagt Enzenhofer, der die Personalsituation "höchst angespannt" nennt.

Eine der Hauptursachen für die "Überziehung" des Lehrerkontingents ist für Enzenhofer die steigende Zahl der Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf.

Ein Punkt, den auch der Salzburger Landesschulratspräsident Herbert Gimpl (SPÖ) anführt. Basis für die Zuteilung der Lehrer ist eine aus dem Jahr 1993 stammende Quote, die davon ausgeht, dass 2,7 Prozent der schulpflichtigen Kinder diesen zusätzlichen Förderbedarf haben, z. B. aufgrund körperlicher oder geistiger Handicaps oder wegen ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung). Dieser Prozentsatz wurde gesetzlich nie angepasst, obwohl in den folgenden Jahren Maßnahmen wie die Integration behinderter Kinder wirksam und verstärkte Migration, aber auch professionellere Diagnostik Realität wurden. Tatsächlich liege der Anteil der Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf in Oberösterreich laut Enzenhofer bei 3,8 Prozent. Auch Gimpl geht von höheren "Realwerten" aus und schätzt einen Österreich-Schnitt von "plus/minus vier Prozent". Das erfordere mehr Lehrer, die im "starren" Stellenplan des Finanzausgleich für 2008 bis 2013 (der nächste wird ab 2011 verhandelt) aber nicht realisierbar seien.

Gimpl kritisiert den Finanzausgleich an sich als "denkbar ungünstiges Instrument zur Bewirtschaftung der Lehrerposten im Pflichtschulbereich, weil er zu inflexibel ist, um eine faire, vernünftige Zuteilung zu erwirken". Ein auf sechs Jahre festgezurrtes Paket sei für einen so dynamischen Bereich wie Schule nicht sinnvoll.

Der SPÖ-Politiker möchte künftig für jedes Bundesland ein "vernünftiges Gesamtbudget", mit dem die jeweilige Landesbildungsdirektion "alle Agenden aller Lehrer - mit einem Dienstrecht - behandelt". Aber, betont Gimpl, "das impliziert noch nicht, dass das Landesverwaltungen sind".

ÖVP-Politiker Enzenhofer befürwortet die Überantwortung aller Lehrer an die Länder, sie sollten das Personal selbst verwalten und dafür vom Bund pro Schüler eine bestimmte Summe erhalten. (Lisa Nimmervoll, DER STANDARD, Printausgabe, 26.8.2010)