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Der Verkehrsmarkt ist nach der Krise wieder auf Wachstumskurs - aber nur auf der Straße. Der Schienenverkehr verliert beständig an Marktanteil.

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Wien - Im Jahr 2007 betrug der Anteil der Bahnen im Güterverkehr im EU-Schnitt lediglich 13 Prozent, in Österreich ist er auf 29 Prozent gesunken. "Die Schiene erfüllt bei weitem nicht die erwartete Qualität", konstatierte Gottfried Schuster, Co-Geschäftsführer der Schieneninfrastruktur-Dienstleistungsgesellschaft (SCHIG), am Mittwoch vor Journalisten. Selbst nach fast 20 Jahren europäischer Eisenbahnliberalisierung kochen viele Nationalstaaten bei den technischen Standards ihre eigene Suppe - Unpünktlichkeit und hohe Kosten sind die Folge.

Europaweit gibt es derzeit vier unterschiedliche Spurweiten, acht Stromsysteme und etwa 20 Möglichkeiten zur Zugsicherung. "An jeder Grenze werden die Züge aufgehalten", da alle Teilsysteme gewechselt werden müssen, sagte Schuster. Das Umspannen der Lok und der Wechsel des Lokführers dauere zwar nur wenige Minuten. In der Regel müssen die Züge an den Grenzbahnhöfen aber einige Stunden warten und belegen dadurch die Gleise.

Allein am "Korridor Nr. 1" von Berlin nach Neapel gebe es "mindestens" drei Strom- und drei Signalsysteme. Während in Westeuropa drei unterschiedliche Hochgeschwindigkeitssysteme parallel existierten, arbeiteten viele Bahnen in Osteuropa noch immer mit den Normen der Deutschen Reichsbahn, sagte der SCHIG-Boss. Um überhaupt grenzüberschreitend fahren zu können, müssen die Bahnen sogenannte Mehrsystemloks kaufen, etwa die von den ÖBB eingesetzten "Taurus"-Loks. Diese kosten aber um ein Fünftel mehr, gab Schuster mit Verweis auf den Sparbedarf bei den ÖBB zu bedenken, die in großen Finanznöten stecken.

Harmonisierungs-Maßnahmen

Das Zauberwort zur Beseitigung dieser Hürden lautet Interoperabilität, auf die die EU schon lange pocht. Künftig müssen alle Systeme der sogenannten Technischen Spezifikation für Interoperabilität (TSI) entsprechen. Dabei handelt es sich um insgesamt 18 Normen, die seit 2002 schrittweise in Kraft treten.

Viele Länder pfeifen aber offenbar auf die Umsetzung der Harmonisierungs-Maßnahmen. Die EU-Kommission hat bereits 13 vor den Europäischen Gerichtshof (EuGH) gezerrt, weil sie hier säumig waren. Oft scheitere es aber nicht an den technischen Grundlagen, sondern am mangelnden Liberalisierungswillen der einzelnen Länder, so Schuster. Österreich attestierte er "aus technischer Sicht" einen "sehr guten Stand". Hierzulande könnten sowohl das französische als auch das deutsche sowie das in Spanien eingesetzte Mischsystem fahren.

Als Negativbeispiel schlechthin in puncto Bahn gilt Italien, wo der grenzüberschreitende Personenverkehr "ja komplett zum Erliegen gekommen" ist. Dort "beißen sich alle die Zähne aus", so Schuster. Die ÖBB haben in dem Nachbarland ebenfalls große Probleme, auch beim Personenverkehr. Reisende müssen sich, wenn sie etwa von Innsbruck nach Mailand fahren, auf lange Wartezeiten und Fahrten im Schneckentempo einstellen. Schuster: "Die Italiener fahren nirgends rein und lassen keinen rein", technisch gesehen könnte man dort durchaus fahren. "Vielleicht hat man mit dem Brennerbasistunnel (BBT) die Chance, diese Barriere, diese Willkür abzustellen".

Privatbahnen am flexibelsten

Es gehe aber nicht nur um die Infrastruktur, sondern auch um die einzelnen Bahnen. Privatbahnen seien hier am flexibelsten, hätten als erste interoperable Züge geschaffen. Durch ihre Investitionen seien sie imstande, auch Vertriebszentren aufzubauen, wo sie benötigt werden.

Im Gegensatz zum Güterverkehr sei der Personenverkehr "weitestgehend" schon harmonisiert. Schuster glaubt, dass es künftig zur Bildung von Hochgeschwindigkeits-Personenverkehrs-Gesellschaften à la "Star Alliance" kommt. Auch Österreich werde sicherlich Mitglied einer solchen Allianz werden. Schon jetzt arbeiteten die ÖBB ja mit der Deutschen Bahn (DB) zusammen. Von einem durchgehenden Buchungssystem und Service wie im Flugverkehr jedoch "sind wir noch weit weg". Im Güterbereich gelte nicht zuletzt wegen der EU-Klimaziele, wieder mehr von der Straße auf die Schiene zu verlagern.

Die dem Verkehrsministerium unterstellte SCHIG wurde 1996 als reine Finanzierungsgesellschaft für die ÖBB gegründet und im Zuge der ÖBB-Reform 2005 in einen Bundesdienstleister umgewandelt. Jetzt überprüft die SCHIG die staatlichen Schieneninfrastrukturprojekte und kontrolliert, ob die Steuergelder effizient eingesetzt werden. Der neue CO-Geschäftsführer Ulrich Puz, der seit Anfang Mai im Amt ist und früher in der Asfinag für die interne Revision zuständig war, will den Fokus künftig auf die Planung der Projekte legen, wie er heute sagte. Darüber hinaus ist die SCHIG für die Trassenzuweisung, die "Nummerntafeln" für Züge und ab Herbst auch für den Lokführer-Führerschein zuständig. Um die Einhaltung der EU-Normen kümmert sich die "Benannte Stelle" in der SCHIG. 2009 hat die SCHIG bei einem Umsatz von 6,1 Mio. Euro einen Vorsteuerverlust (EGT) von 323.089 Euro eingefahren. Innerhalb des nächsten Jahres will sich die SCHIG von der staatlichen Besitzgesellschaft Güterterminal Werndorf Projekt GmbH (GWP) trennen. Die GWP wies 2009 laut Firmenbuch einen Bilanzverlust von 5,6 Mio. Euro aus und soll an die ÖBB-Infrastruktur weitergereicht werden. "Wir sind in Verhandlung", bestätigte Schuster. (APA)