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Jede "verdächtige Bewegung" automatisch entdecken: große Ambitionen für EU-Projekt Indect.

Foto: Reuters

Man muss es nur öffentlich machen, damit die Ungeheuerlichkeit eines Vorhabens nicht auffällt. Das Hauptziel des bürokratisch "Indect" getauften EU-Forschungsprojekts, heißt es auf der Homepage, sei, "eine Plattform aufzubauen, die Betriebsdaten registriert und austauscht, Multimedia-Inhalte erfasst und alle Information intelligent verarbeitet, damit Bedrohungen automatisch entdeckt und kriminelles Verhalten oder Gewalt erkannt wird".

Mit anderen Worten: Indect will "Webseiten, Diskussionsforen, Newsgruppen, Fileserver, Peer-To-Peer-Networks und private Computer" ebenso wie abertausende Überwachungskameras ständig durchkämmen. Die ganze Bevölkerung der EU: ein einziges Verdachtsszenario.

Automatische Überwachung

Dabei sollen anhand von Fotos und Videos Personen automatisch erkannt und mit Polizeicomputern abgeglichen werden. Ein Werbespot für das Forschungsvorhaben zeigt eine Szene wie aus einem TV-Krimi: Ein Dieb verlässt ein Gebäude mit einem Aktenkoffer, mehrere Kameras erfassen sein Gesicht. Kurz darauf ist die Identität des Mannes bekannt, die Handschellen klicken.

Noch steckt die Erkennung von Gesichtern oder "verdächtigen" Bewegungen auf Videos, wie es seit einiger Zeit in Großbritannien erprobt wird, in den Kinderschuhen. Aber zwei heimische Einrichtungen, die Fachhochschule Technikum Wien und der Multimedia-Experte X.Art in Pinkafeld, arbeiten bereits fleißig mit Mitteln aus der EU-Forschungsförderung an der Verbesserung. Europaweit sind 17 Universitäten und Unternehmen sowie zwei Polizeibehörden in neun europäischen Ländern an dem elf Millionen Euro teuren Projekt beteiligt.

Test zur EM

"Sicherheit der Bürger in urbaner Umgebung", so die Bedeutung des Kürzels Indect, soll erstmals 2012 zur polnisch-ukrainischen Fußball-EM getestet werden. Wie weit österreichische Ministerien an dem gigantischen Überwachungsprojekt beteiligt sind, konnte Datenschutzratsvorsitzender SP-Abgeordneter Johann Maier bisher noch nicht herausfinden. Innen- und Justizministerium erklärten in parlamentarischen Anfragen, keine Kooperation anzustreben - allerdings bezog sich das nur auf ein Projekt, nämlich die Entwicklung unbemannter Polizeidrohnen. Heute, Mittwoch, probiert es Maier erneut mit einer Anfrage, diesmal an das Wissenschaftsministerium: Er will wissen, ob die Forschungsarbeit der beiden österreichischen Indect-Teilnehmer auch von Österreich gefördert wird.
 (Helmut Spudich, DER STANDARD/Printausgabe, 25.8.2010)