Es wird ja zu wenig gereimt in der Politik. Nur die Strache-FPÖ hält sich einen hauptberuflichen Reimeschmied, einen gewissen Kickl, offenkundig ein Absolvent der "Wolf-Martin-Academy for strange poetry". Seine jüngste Hervorbringung - "Mehr Mut für ,Wiener Blut' - zu viel Fremde tun nicht gut" (oder so ähnlich) leidet aber darunter, dass die Verse missverständlich sind. Wenn sogar Strache glaubt, dass damit eigentlich die Operette Wiener Blut gemeint ist und nicht eine Nazi-Anspielung, dann ist diese Dichtung zu subtil, zu ästhetisch, da steckt zu viel Trakl-Rilke-Hofmannsthal-Symbolismus drin.

ÖVP und SPÖ haben schon lange nicht mit politischer Poesie gepunktet, obwohl es derlei in der großen Tradition der beiden Parteien durchaus gab. 1966 etwa errang die ÖVP mit dem zündenden Lied "Entscheide gut, entscheide frei, entscheide für die Volkspartei!" mit Josef Klaus die absolute Mehrheit. 1957 scheute sich der SP-Kandidat Adolf Schärf nicht, die vielen Arbeiter, die seinerzeit zu den Nazis übergelaufen waren, wie folgt anzusprechen: "Wer einmal schon für Adolf war, wählt Adolf auch in diesem Jahr." Schärf wurde Bundespräsident.

Inoffiziell hingegen der Vers "Hast du einen Opa, schick ihn nach Europa", der darauf anspielt, dass ins EU-Parlament viele verdiente Altpolitiker entsandt werden. Also, frisch gereimt! "Beteuern" und "neue Steuern" bilden etwa einen nahezu perfekten Reim. (RAU, DER STANDARD Printausgabe 23.8.2010)