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Auch Investoren (kleine wie große) wollen gefüttert werden - mit guten Renditen. Die guten Geschäfte der einen bleiben nicht ohne Folgen. Durch die Agrarpreisanstiege habe sich die Zahl der hungernden Menschen wieder auf über eine Milliarde Menschen erhöht, warnen OECD und FAO.

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Wien - Marc Faber, Autor des "Gloom, Boom & Doom Report", setzte im Frühling auf Gold. "Sie sollten Gold kaufen und Öl leerverkaufen", empfahl er damals. Ansonsten fand er die Rohstoffmärkte "nicht besonders attraktiv" - mit einer Ausnahme: Agrarrohstoffe wie Weizen, Mais und Sojabohnen begeisterten den Investor. Steigende Nachfrage aus China und die Auswirkungen der globalen Erwärmung dürften die Preise "leicht verdoppeln", schwärmte der Mann, der offenbar weiß wovon er spricht. Der Weizenpreis ist im Juli so schnell gestiegen wie seit 1972 nicht mehr. Um mehr als 50 Prozent in nur einem Monat. Auch Zucker, Kakao oder Palmöl sind deutlich teurer als noch vor wenigen Jahren. Spärlicher Ertrag wird auch bei Soja und Mais erwartet. "Agrarrohstoffe waren noch nie so günstig wie jetzt. Es wird mehr Dürreperioden, mehr Überschwemmungen und mehr Naturkatastrophen geben, die die Erntemenge reduzieren und den Preis in die Höhe treiben", prognostiziert Faber eine hauptsächlich für Anleger erfreuliche Zukunft.

"Banken wetten auf den Hunger"

Was den Investor enthusiasmiert, ist anderen aber schon lange ein Dorn im Auge. "Banken wetten auf den Hunger", formulieren Globalisierungskritiker von Attac über diese Art von Geschäfte drastisch. Nach wie vor böten "mit Steuergeldern gerettete Banken Wetten auf die Preisentwicklung von Agrarrohstoffen an", heißt es empört. Weit mehr als 100 Millionen Menschen weltweit, die wegen der Krise unter die Armutsgrenze gefallen sind, werden offenbar als Kollateralschäden hingenommen", so Attac-Frau Jutta Sundermann.

Gehandelt werden die als "Soft Commodities" bezeichneten landwirtschaftlichen Produkte wie Kaffee, Kakao, Zucker, Getreide, Mais, Ölsaaten oder Fleisch an den großen Terminmärkten der Welt, wie zum Beispiel dem Chicago Board of Trade, der Vierländerbörse Euronext oder der MATIF-Warenbörse in Paris. Der ursprüngliche Sinn dieser Märkte ist klar: Erzeuger und Abnehmer sichern sich durch Termingeschäfte gegen hohe Preisschwankungen ab. In der Praxis geht das so: Der Produzent vereinbart im Jänner mit einem Abnehmer, dass dieser die Ernte im August zu einem festen Preis kauft. Für den Produzenten besteht der Vorteil dieses Futures, (Anm.: Ein Vertrag, der sich auf ein Geschäft in der Zukunft bezieht) darin, dass er mit einem festen Preis kalkulieren kann und das Risiko an den Käufer (Spekulanten) abgibt. Der Anleger - ob privat oder Profi - kann in unterschiedlicher Form "profitieren". Er kann in entsprechende Fonds, Derivate oder so genannte ETCs (Exchange Traded Commodities = Schuldverschreibungen auf die Preisentwicklung der einzelnen Rohstoffe) investieren und wird auf der Suche nach Rendite in Sachen Agrarrohstoff emsiger und emsiger. Ein einzelner Händler, Anthony Ward, hat jüngst mehr als sieben Prozent der jährlichen Kakaoproduktion gekauft, der Preis verdoppelte sich seit 2008.

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Preise mit Signalwirkung

Diese Preise an den internationalen Termin-Börsen wiederum haben Signalwirkung für die Preise, die zum Beispiel in Wien an der Produktenbörse in einer wöchentlichen Sitzung ausgehandelt werden, erklärt deren Chef, Agrarökonom Josef Dietrich, im Gespräch mit derStandard.at. In der Taborstraße werden jene Preise notiert - und damit quasi amtlich - die in den letzten sieben Tagen bei Geschäften in Österreich erzielt wurden. Verbieten würde Dietrich die Spekulation nicht. Stärkere Regularien - allerdings weltweit - hielte er für sinnvoll. Für einen Investor zahle es sich eben nicht aus, wenn die Preissprünge nur ein paar Euro ausmachen. "Wenn es aber richtige Preissprünge gibt, weil bei den Fundamentaldaten etwas passiert - etwa eine geringere Erntemenge erwartet wird - dann zahlt sich der Einstieg für einen Investor aus. Der verstärkt dann die Sprünge. Und zwar deutlich. Beträgt der Preissprung normalerweise ein paar Euro, sind es dann eben 20 bis 30 Euro", so Dietrich.

Produzenten brauchen Spekulanten

Auch Commerzbank-Rohstoffexperte Eugen Weinberg verweist gegenüber derStandard.at auf die Bedeutung der Zocker. "Letztlich brauchen die Produzenten ja den Spekulanten, der ihnen die Risiken abnimmt." Der Warenterminmarkt biete als einziger die Möglichkeit für einen einigermaßen transparenten, repräsentativen, liquiden Handel, der auf die Nachrichten schnell reagiere, so Weinberg: "Wir vertreten aber die Meinung, dass der Einfluss der Spekulanten und anderer Finanzmarktteilnehmer auf die Rohstoffmärkte insgesamt, und insbesondere auf die Getreidemärkte, begrenzt werden sollte. Als erster Schritt könnte man die Positionsbegrenzungen einführen, die die Anzahl der Kontrakte begrenzt, die ein Spekulant halten und handeln darf." Weinberg glaubt allerdings, dass Regierungsmaßnahmen, wie z.B. Zölle, Tarife, Import-/Exportverbote oder Preisinterventionen, weitaus größere, gravierende und längerfristigere Folgen haben als ungebremste Spekulation.

"Staaten verstärken Preissprünge"

Für Ex-EU-Kommissar Franz Fischler verläuft die Sache hingegen eher umgekehrt. "Die Staaten verstärken die Preissprünge durch falsche Reaktionen wie Zölle oder Exportsteuern in der Folge von solchen Preissprüngen, wie Argentinien oder Russland mit der Exportsteuer. Die wollen nicht, dass die einheimischen Produzenten ihre Agrarrohstoffe ins Ausland verkaufen, weil die Sache bei den hohen Preisen sehr lukrativ ist." Auch Fischler hält im Gespräch mit derStandard.at strengere Regulierung bei Commodity-Derivaten für sinnvoll: "Die Spekulation mit ihnen ist ja nicht so alt. Erst seit das Geschäft mit den Immobilienderivaten zusammengebrochen ist, ist es so richtig ins Laufen gekommen." Fischler sieht in der EU steigende Sympathie für eine Regulierung: "Nun müsste die EU-Kommission einen Vorschlag machen." (Regina Bruckner, derStandard.at, 24.8.2010)