Der am Samstag nach wenigen Stunden wieder aufgehobene Haftbefehl gegen den Gründer der Enthüllungs-Homepage Wikileaks, Julian Assange könnte für Staatsanwältin Maria Häljebo Kjellstrand ein disziplinarrechtliches Nachspiel haben. Ein Juristenverband (Rättssäkerhetsorganisationen - RO) zeigte Kjellstrand am Sonntag wegen grober Verletzung der Objektivitätspflicht bei der Justizaufsichtsbehörde (Justitieombudsman - JO) an.

Kritik

RO argumentierte in einem Brief an die Behörde, Kjellstrand hätte ihren Haftbefehl wegen erhobener Vorwürfe der Vergewaltigung und sexueller Belästigung ohne das Vorliegen von Beweise lediglich auf einen telefonmündlichen Report der Polizei stützen dürfen. Der Völkerrechtsexperte Göran Lysen kritisierte gegenüber der Tageszeitung "Dagens Nyheter" (Online-Ausgabe) überdies die schwedische Justizpraxis im Zusammenhang mit sexuellen Delikten.

"Das riecht nach schlechtem Feminismus. Vergewaltigungsfälle müssen in der Substanz sachlich und unpersönlich geprüft werden, wie alle anderen Verbrechen." Schweden sei in dieser Hinsicht nicht der Rechtsstaat, der es vorgebe zu sein, sondern gehöre vielmehr zu den "schlechteren im Kreise der EU-Staaten", zitierte DN den Juristen.

Staatsanwältin Kjellstrand verteidigte ihr Vorgehen gegenüber der Boulevardzeitung "Expressen". Die von der Polizei übermittelten Angaben zu den Vorwürfe "so überzeugend gewesen, dass ich daraufhin die Entscheidung fällte". Sie bereue ihren Beschluss nicht.

Druck

Kjellstrand stellte den Haftbefehl am Freitagabend aus, öffentlich bekannt wurde dies erst am Samstag. Davor hatten sich zwei junge Frauen an die Polizei gewandt und behauptet, Assange habe eine von ihnen vergewaltigt und die andere sexuell belästigt. Unter Druck geriet auch die leitende Staatsanwältin Eva Finne, die den Haftbefehl gegen den 39-jährigen Assange am Samstagabend wieder aufhob. Finne gab sich gegenüber der Presse zugeknöpft und wollte nicht sagen, ob weitere Schritte wie ein Verhör des noch immer in Schweden aufhältigen Australiers notwendig seien, beziehungsweise wegen welcher Vorwürfe konkret gegen ihn noch ermittelt würde. Finne hatte den ursprünglichen Haftbefehl gegen Assange als "unbegründet" bezeichnet und damit weltweit für Verwirrung in den Medien gesorgt. (APA)