Fremdverschuldetes Déjà-vu für Unterrichtsministerin Claudia Schmied: Ihr Parteichef und Bundeskanzler Werner Faymann denkt laut über eine höhere Lehrverpflichtung für Lehrer nach.

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Wien - Der schärfste Gegenwind kam just von den eigenen Parteifreunden: Der Sozialdemokratische LehrerInnenverein Österreichs (SLÖ) will sich keinesfalls "gefallen lassen", was "seinem" Parteichef Werner Faymann, seines Zeichens Bundeskanzler, vorschwebt. Der sinnierte nämlich in der Kronen Zeitung darüber, dass man im Zuge der anstehenden Sparrunden darüber nachdenken müsse, "ob Lehrer nicht ein paar Stunden mehr arbeiten könnten".

"Ich kann mir das nicht erklären, warum er das tut", sagte der regelrecht entgeisterte SLÖ-Bundesvorsitzende Reinhard Dumser im Gespräch mit dem STANDARD: "Das ist kontraproduktiv. Das können und werden sich die Lehrer nicht gefallen lassen. Wenn der Bundeskanzler da einen Alleingang macht, dann erwarten wir uns von der Gewerkschaft zuerst Gespräche, wenn nötig aber auch gewerkschaftliche Maßnahmen." Denn die geforderte Mehrarbeit für Lehrer käme einer "Lohnkürzung durch die Hintertür" gleich.

Als Vertreter der mit 20.000 Mitgliedern "weltweit größten sozialdemokratischen Lehrerorganisation" spreche er aber vor allem als jemand, dem es um Bildung gehe, sagt Dumser, und da bedeute Faymanns Vorstoß nun mal "nicht in Bildung zu investieren, sondern zu sparen. Es kann aber nicht so sein, dass der akute Lehrermangel durch unbezahlte Mehrarbeit geschlossen werden soll." Dumser setzt ganz auf die laufenden Gespräche für ein neues Lehrerdienst- und Besoldungsrecht, jegliche Änderungen sei in diesem Rahmen zu diskutieren, "natürlich sollte man da auch über die Lebensverdienstsumme und die Lebensarbeitszeit reden".

Bald neues Dienstrecht

Die ÖVP-nahen Lehrergewerkschafter reagierten "verwundert" auf Faymann. AHS-Lehrergewerkschaftschefin Eva Scholik kommentierte den Vorschlag mit der Frage, ob der Kanzler die Turbulenzen vom Vorjahr vergessen habe. Damals wollte Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) den Lehrern zwei Stunden mehr Lehrverpflichtung abringen.

Jürgen Rainer, Gewerkschaftschef der BMHS-Lehrer, bezeichnete die Idee von Faymann gerade eben als "Wortspende und Befreiungsschlag für die in Hilfsnot geratene Ministerin". Er würde das im Moment "nicht sehr ernst nehmen", sagte er zum Standard, da ohnehin in einigen Wochen das neue Dienst- und Besoldungsrecht der Lehrer verhandelt würde. Bisher sei man in den Gesprächen mit der Ministerin über Annäherungen nicht hinausgekommen. Bei anderen Themen wie etwa dem Bestellungsverfahren gäbe es gar keine Gespräche, sagte Rainer. Wenn es um die reine Erhöhung der Anwesenheitszeit der Lehrer an den Schulen gehe, sei man gesprächsbereit. Allerdings müsse dann auch die Infrastruktur entsprechend aufgepeppt werden: Derzeit sei nur ein halber Quadratmeter Arbeitsfläche pro Lehrer vorgesehen.

Finanzministerium: "Vorstoß mit populistischen Zügen"

Im Unterrichtsministerium verwies man am Montag erneut auf die Gespräche zum neuen Dienst- und Besoldungsrecht, dabei werde auch über Arbeitszeitmodelle geredet. Beamtenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) ließ ausrichten, dass der Vorschlag "auf jeden Fall zumutbar" sei.

Der Sprecher von Vizekanzler und Finanzminister Josef Pröll (ÖVP) qualifizierte Faymanns Mehrarbeitsidee für Lehrer im STANDARD-Gespräch als Vorstoß "mit populistischen Zügen", noch dazu, wo Unterrichtsministerin Schmied im Frühjahr 2009 bei ihrem gescheiterten Versuch, die Lehrverpflichtung zu erhöhen, um ihre Budgetnöte zu lindern, letztlich so viel Geld lukrieren konnte (z. B. durch gekürzte Taxen, Pensionsmodelle etc.), dass sie nicht einmal die angebotene Stundung der Schulmieten in Anspruch nehmen habe müssen. (Julia Herrnböck, Lisa Nimmervoll/DER STANDARD-Printausgabe, 24.8.2010)