Die spektakuläre Niederlage der australischen LaborPartei sollte eine Warnung an alle Politiker sein, überall. Sie haben kein Recht auf Regierung. Sie haben die Ehre, ein Privileg, dem Volk zu dienen. Über Generationen haben sich Labor und die Konservativen in Australien die Macht geteilt. Sie haben sich gegenseitig die Klinke zum Parlament gereicht - alle paar Jahre wieder. Sie glichen sich an. Im Wahlkampf war es gelegentlich schwierig zu sehen, welche Parole von welcher Partei kam.

Die Entscheidung des australischen Volkes, keiner der beiden Großparteien das Recht zu geben, eigenhändig die Regierung zu stellen, ist nicht nur ein Schlag gegen Labor, sie ist auch ein Schlag gegen die Konservativen: Sie haben nur so gut abgeschnitten, weil viele Wähler Labor für die Arroganz bestrafen wollten, einen Premier zu stürzen.

Der Entscheid vom Samstag ist ein Sieg für die Demokratie - und vielleicht der Anfang vom Ende der faktischen Zweiparteienpolitik, die Australien seit Generationen dominiert. Die Tatsache, dass bis zu vier parteilose Unabhängige und ein Grüner im Repräsentantenhaus sitzen werden und die Grünen im Senat das Gleichgewicht der Macht übernehmen, ist Zeichen für den Wunsch des Volkes, das historische Monopol zweier Blöcke zu brechen. Bürger klagen, die von Privilegien verwöhnten Berufspolitiker verstünden kaum noch ihre Ängste, Sorgen und Hoffnungen. Das Volk holt sich seine Stimme zurück. (Urs Wälterlin /DER STANDARD, Printausgabe, 23.8.2010)