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Feierliche Eröffnung: Der iranische Atomchef Ali Akbar Salehi (Mitte) mit Sergej Kirijenko (rechts) von Rosatom. Auch ein Mullah war zugegen: Gholam-Ali Bushehri, der nach der Stadt Bushehr heißt.

Foto: APA/EPA/Taherkenareh

Auch die USA beeilten sich zu betonen, dass es zivilen Zwecken dient. Wenn es nur nicht im Iran stünde, sagen Kritiker.

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Mit Pomp inszenierte die iranische Führung am Wochenende den Beginn der Inbetriebnahme des ersten iranischen Atomkraftwerks in Bushehr am Persischen Golf. Im Fernsehen durften die Iraner und Iranerinnen zusehen, wie die ersten Brennstäbe für die Beladung des 1000-Megawatt-Leichtwasserreaktors vorbereitet wurden. Präsident Mahmud Ahmadi-Nejad, ganz iranischer Nationalist, sonnte sich in der technischen Leistung, Atomchef Ali Akbar Salehi und Sergej Kirijenko von der russischen Rosatom, die das AKW gebaut hatte, beschworen den zivilen Nutzen der Atomenergie.

Die Beladung von Bushehr mit Brennstoff wird einige Tage bis Wochen dauern, dann wird der Reaktor langsam hochgefahren, der nach Schätzungen frühestens Ende Oktober, Anfang November ans Netz gehen dürfte. Mit voller Kapazität soll er etwa im März 2011 laufen.

Keine Frage, mit der Einführung des ersten Nuklearbrennstoffes ist Bushehr eine nukleare Anlage - vor der sich niemand fürchtet. Auch Israel nicht. Ein US-Außenministeriumssprecher betonte, dass Washington Bushehr nicht als "Proliferationsrisiko" ansehe; Das Kraftwerk sei für zivile Zwecke und stehe unter Kontrolle der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) und Russlands, das auch den verbrauchten Brennstoff - den einzigen eventuellen Grund zur Sorge - zurücknimmt. Aus Jerusalem kam am Samstagabend eine Erklärung, in der als "völlig inakzeptabel" bezeichnet wurde, "dass ein Land, das so offenkundig internationale Vereinbarungen verletze, in den Genuss der Atomenergie kommen soll" .

Das klingt etwas anders als der medial getrommelte Verdacht, Bushehr könnte Teil eines iranischen Atomwaffenprogramms sein. Das Ö1-Mittagsjournal verstieg sich am Samstag in die unsinnige Behauptung, in Bushehr könnte eine Atomwaffe getestet werden. Und dort - im ORF - ging das AKW auch schon vorgestern ans Netz. Man drückt einen Knopf und die Atomkerne spalten sich, dass es nur so knackt. Das können nur die Iraner, weil sie mit dem Teufel im Bunde sind.

Ironie beiseite, abseits aller technischen und politisch vorauseilenden Verwirrungen bleibt natürlich der Kontext, der die Inbetriebnahme von Bushehr zu einer problematischen macht. Das AKW, das sich schon der Schah - in einer viel größeren Ausführung - gewünscht hatte, ist definitiv nicht Teil des Atomstreits des Irans mit der internationalen Gemeinschaft um die iranische Urananreicherung. Aber, wie Israel richtig sagt, mutet es sehr wohl seltsam an, dass ein Land unter strengen Sanktionen, die vor allem das iranische Atomprogramm treffen sollen, gerade jetzt einen funktionierenden Atomreaktor bekommt.

Aber genau das war der Deal: Russland hat im Uno-Sicherheitsrat im Juni die letzte scharfe Sanktionsrunde nur unterstützt, weil es sich seine eigenen Ausnahmen behalten durfte. Dazu gehörte die Inbetriebnahme von Bushehr. So etwas nennt man Diplomatie. Aber wenn von Bushehr ein Proliferationsrisiko ausgehen würde, dann hätte es diese Ausnahme gewiss nicht gegeben.

Wobei es ein Szenario gibt, in dem auch Bushehr nicht mehr so harmlos wäre: wenn der Iran aus dem Atomwaffensperrvertrag austritt, mit der IAEObricht und alle Inspektoren aus dem Land wirft. Das wäre aber auch gleichzeitig das Ende der Zusammenarbeit mir den Russen, die die Iraner heute noch unbedingt brauchen. Noch kann der Iran selbst keinen Brennstoff produzieren, er bleibt also bis auf weiteres für den Betrieb von Bushehr von Russland abhängig.

Nicht nur der politische Triumph für Ahmadi-Nejad, dass Bushehr gerade jetzt in Betrieb geht, ist schwer zu verdauen. Selbstverständlich ist ein laufendes Atomkraftwerk auch ein Trainings- und Lernplatz für iranische Wissenschafter und Techniker. Und es geht - sowohl für den Iran selbst als auch für dessen Gegner - auch nicht nur um das Atomprogramm allein. Auch dieses steht wiederum im größeren Kontext einer iranischen Technologieoffensive in vielen Bereichen: nicht nur, aber auch im militärischen.

Am Wochenende präsentierte Ahmadi-Nejad die erste iranische Langstreckendrohne, mit der er den iranischen Verteidigungswillen martialisch wie immer betonte. Dazu kommen Fortschritte in der Raketen-, Satelliten- und U-Boottechnik. (Gudrun Harrer/DER STANDARD, Printausgabe, 23.8.2010)