Wien - Bei den vergangenen Wiener Festwochen war kurzfristig seine "Via Intolleranza II" ins Programm gehoben worden, auf seine persönliche Mitwirkung bei der Premiere musste Christoph Schlingensief aufgrund akuter gesundheitlicher Probleme jedoch verzichten. Längst war seine Krebserkrankung öffentliches Thema und auch Teil seiner künstlerischen Arbeit geworden - in Büchern ebenso wie auf der Bühne.

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Auch, wenn Schlingensief im vergangenen Herbst etwas enttäuscht ohne einen "Nestroy"-Preis wieder aus Wien abreisen musste (er war für seine "Mea culpa"-Regie nominiert gewesen), hatte er doch eine lange und intensive künstlerische Biografie in Österreich aufzuweisen. Im Mai 2011 hätte sie im Burgtheater als Koproduktion mit den Festwochen eine Fortsetzung finden sollen.

Schlingensief, der zunächst als Filmemacher mit Streifen wie "Das deutsche Kettensägenmassaker - Die erste Stunde der Wiedervereinigung" (1990) bekannt geworden war (2001 war er auch Gast des Filmfestivals Viennale), hatte 1995 beim steirischen herbst die Produktion "Hurra Jesus! Ein Hochkampf" (1995) herausgebracht.

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Bereits im Jahr darauf gastierte er mit dem Theaterprojekt "Begnadete Nazis. 1. Großdeutsches Germania-Stechen" in einer Wiener Remise - und wie so oft war die Aufregung im Vorfeld, die von Pornografie-Verdacht und Subventions-Diskussionen begleitet war, zumindest ebenso theatralisch wie der Abend selbst.

In der Folge war Schlingensief regelmäßiger Gast in Österreich. 1998 trat er mit seiner Partei "Chance 2000" zur Bundestagswahl an und lud seine Anhänger zum "Anti-Kanzler-Baden" am Wolfgangsee, wo der damalige deutsche Kanzler Helmut Kohl gerne urlaubte.

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Zu einem Medienereignis der Sonderklasse geriet im Mai 2000 seine Performance "Ausländer raus - Bitte liebt Österreich", bei der in in Anlehnung an die TV-Sendung "Big Brother" in Baucontainern vor der Wiener Staatsoper Asylbewerber untergebracht wurden, die im Laufe der Aktion abgewählt und abgeschoben wurden.

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Schlingensief war auch immer wieder als bildender Künstler in österreichischen Galerien und Ausstellungshäusern, so etwa 2006 mit der begehbaren Installation "Chickenballs. Der Hodenpark" samt Mozart-Devotionalien und sexistischer Aktionskunst in Salzburg...

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...oder im Jahr 2008, als er im Rahmen des steirischen herbst in der Neuen Galerie in Graz eine Ausstellung zeigte ("The African Twintowers") und in der Wiener Galerie Charim eine Bestandsaufnahme seiner bildnerischen Arbeit aus drei Jahrzehnten unternahm.

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Vor allem aber zog der deutsche Multi-Künstler ins Burgtheater ein. Er inszenierte im Dezember 2003 die Uraufführung von Elfriede Jelineks "Bambiland" - ein denkwürdiger Abend, bei dem vom Text allerdings kaum etwas übrigblieb.

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Ganz ohne fremde Textvorlage kam im Jänner 2006 "Area 7" aus, bei dem Schlingensief das ganze Burgtheater in eine abenteuerliche Mischung aus Jahrmarkt, Müllhalde und Live-Show verwandelte, bei der tausend schwer durchschaubare Dinge passierten.

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Im März 2009 beschäftigte er sich bei "Mea culpa", einer "ReadyMadeOper", mit großem Ensemble und ebensolchem Bühnenaufwand mit seiner Krebserkrankung und dem Tod. So persönlich und unmittelbar die Aufführung wirkte, war sie doch nie larmoyant, sondern meist von spielerischer Selbstironie geprägt.

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Zur Nestroy-Gala im Herbst 2009 war Christoph Schlingensief, von der Krankheit schwer gezeichnet, persönlich angereist. Es sei "toll, wieder so einen Abend zu erleben, auch wenn er für mich anstrengender ist als früher. Sonst sitzt man ja viel zu Hause rum und ist depressiv", hatte er damals bekannt, er und seine Ärzte hätten "alle Hoffnung", dass es "nach oben geht." Die Hoffnung war nur von kurzer Dauer. Schon bald kam der nächste Rückfall. Und die nächste Hoffnung. Mit ihm hofften all jene, die den sympathischen, bei aller inhaltlichen Radikalität stets bubenhaft wirkenden Künstler näher kennenlernen durften. Die Hoffnung ist vorbei. Christoph Schlingensief hat seinen Kampf verloren.

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