Nicht die Reinheit, sondern die "Melange" des Blutes mache Wien zu dem, was es ist: Detail aus dem Party-Flyer der "Drama"- Veranstalter.

Foto: Dramaclub

Wien - Normalerweise gehört Sarah Wassermair nicht zu jenen Menschen, die tagsüber die Vorhänge ihrer Wohnung zuziehen. Aber derzeit, klagt die Drehbuchstudentin aus Wien-Penzing, "geht es nicht anders: Gegenüber meiner Wohnung hängt das unerträgliche ,Wiener Blut‘-Plakat" .

Freilich liegt "Kopf in den Sand" - oder "Vorhang zu" -Politik der Studentin nicht. Und so kontert Wassermair "dieser rassistischen Infamie" mit einer sowohl konkreten als auch symbolischen Aktion: Wassermaier lädt kommenden Mittwoch zum Blutspenden in die Wiener Blutspendezentrale (4. Bezirk, Wiedner Hauptstraße 32) ein: "Mein Wiener Blut für Fremde - mei Wiener Blut is a Melange" , nennt sich ihre Gruppe auf Facebook.

Eines betont die Wienerin aber: "Das Rote Kreuz hat mit der inhaltlichen Seite der Aktion nichts zu tun." Selbstverständlich habe sie das Rote Kreuz aber "vorher gefragt und informiert. Die Antwort war: Man braucht Blut. Von Fremden und für Fremde."

Rot-Kreuz-Sprecherin Maria Kral bestätigt das: "Wir mischen uns nicht in politische Diskussionen ein. Aber wir begrüßen jeden Blutspender. Gerade zum Ende des Sommers ist der Bedarf hoch." Doch nicht jeder darf spenden. So ist gesperrt, wer aus Infektionsregionen kommt. Doch das trifft auch Urlaubsheimkehrer. Kral: "In Teilen von Griechenland ist etwa das Westnil-Virus aktiv. Aber allein die Bereitschaft, sein Blut anderen zu geben, ist ein Zeichen der Mitmenschlichkeit."

Doch auch Menschen aus jener Szene, in der sich FP-Chef Heinz Christian Strache gerne heimisch zeigt, bestreiten den FP-Anspruch, über Wiens sanguinischen Cocktail urteilen zu dürfen: Die Macher der Partyreihe "Drama" laden am 4. September wieder in die Ottakringer Brauerei - just unter dem nun von der FPÖ gekaperten Motto "Wiener Blut" .

Doch statt zu sagen, die Party sei lange geplant und die Plakate längst gedruckt, erklären die Drama-Köpfe - DJ Herb Poindl, Eventprofi Holger Thor (als Dragqueen "Miss Candy" stadtbekannt) sowie Almdudler-Chef Thomas Klein, was Wiens Blut ausmacht: "Es sind die kulturellen Einflüsse aus aller Herren Länder ... Wir wollen sie nicht missen: Buchteln aus Böhmen, Kipferln aus der Türkei und das Wiener Schnitzel aus Italien! Vor allem wollen wir aber die Menschen nicht missen, die es mit uns gewürzt haben."

Dass durch Wiens Adern, "kein braunes Blut" ("Drama" -Aussendung" ) fließt, zeigen indes auch andere: "Wiener Blut - Vielfalt tut gut" heißen Plakate, die man hier bestellen kann. Das Sujet zeigt Wiens "Melange" dort, wo jeder sie findet: als Haus-Gegensprechanlage. Mit Namen aus allen Ecken der Welt. (Thomas Rottenberg, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 21.8.2010)