Andreas Nödl, Co-Architekt einer privatautonomen Lösung.

Foto: Standard/Regine Hendrich

Mit Andrea Schurian sprach er über die Verpflichtung, sich der Vergangenheit zu stellen.

STANDARD: Die "Wally" kehrt einige Wochen nach Rudolf Leopolds Tod zurück. Hatte er es, bei allem Respekt vor einem Toten, nicht allein zu verantworten, dass so lange keine Lösung gefunden wurde?

Nödl: Ich glaube, der Umstand, dass die US-Justiz zwölf Jahre und vier Vorverfahren gebraucht hat, um dann letztendlich doch zu keinem Ergebnis zu kommen, ist etwas, womit beide Seiten – das Leopold Museum und die Erben der Familie Bondi-Jaray – fertig werden mussten. Letztendlich haben alle gesehen, dass es ein gordischer Knoten ist, für dessen Durchschlagen es den guten Willen der Beteiligten bedurfte.

STANDARD: Welchen Anteil hatte Leopold selbst an dieser Lösung?

Nödl: Es war letztlich klar, dass das Bild gegen Geld nach Österreich zurückkehrt, aber vorher noch in den USA ausgestellt werden soll. Diese Eckpunkte hat Rudolf Leopold mitgetragen und mitverhandelt. Auch in die Preisverhandlungen war er involviert. Rechtstechnische Details haben ihn weniger tangiert: Wann etwa wird übergeben, wer trägt das Risiko während der Ausstellung in den USA, wer, bis das Bild im Leopold Museum angekommen ist? Wann und unter welchen Umständen fließt das Geld?

STANDARD: Aber Sie. Sie sind seit 2007 im Vorstand der Stiftung Leopold und auch deren Anwalt. Welche Rolle hatten Sie?

Nödl: Ich habe beispielsweise mittelbar mit der Erbenfamilie Kontakt aufgenommen: Weil, wie ich es nenne, zwölf Jahre Rechtsverweigerung aus der Welt geschafft werden sollten. Privatautonom haben wir im letzten Dreivierteljahr eine, wie ich glaube, Win-win-Situation erreicht. Vertragsarchitektonisch ist gelungen, wohl im Recht spielend, aber jenseits von Rechtsansprüchen eine beide Seiten berücksichtigende, faire Lösung zu erarbeiten. Und ich finde sensationell, dass sogar die US-Regierung Teil der Vereinbarung wurde. Als Vertragspartei gab sie Wally frei und schuf alle Vorbehalte der Stiftung gegenüber aus der Welt.

STANDARD: Die Lösung sieht so aus, dass der Familie Bondi-Jaray das Bild finanziell abgelöst wurde ...

Nödl: ... und Wally im Leopold Museum wieder als Teil eines Triptychons öffentlich zugänglich ist. Das macht mich glücklich und ist meiner Ansicht nach auch einer der Kernpunkte von wechselseitiger Fairness: Zurück in Österreich, im Leopold Museum. Es ist mit Klimts Adele, die vom Belvedere, also von der Republik, restituiert werden musste, aber insofern vergleichbar, als auch sie öffentlich präsentiert wird, in der Sammlung Lauder in New York.

STANDARD: Im Leopold Museum herrscht eitel Wonne. Sind die Erben auch so glücklich?

Nödl: Ich habe das Gefühl: ja. Es ist der Familie Bondi – zu Recht! – sehr daran gelegen, die Historie der Wally auch der Nachwelt zu erzählen. Wir haben deshalb vertraglich festgelegt, dass diese Geschichte immer beim Bild nachzulesen sein wird. Das ist auch mein persönlicher Standpunkt: dass man diese und nachfolgende Generationen über den Holocaust aufklären muss.

STANDARD: Leopold wurde oft Antisemitismus vorgeworfen; er hat das durch, vorsichtig formuliert, ungeschickte Äußerungen nicht gerade entkräftet. Das hat auf alle, die mit dem Leopold Museum zu tun hatten, abgefärbt. Hat Sie das nicht gestört?

Nödl: Leopold war kein Antisemit, er war nicht so, wie er über die Medien gekommen ist. Was mich betrifft: Ich denke, ich konnte in vielen Gesprächen klären, wie ich dem Thema Restitution gegenüberstehe. Ich war im Schiedsgericht in der Causa Adele, habe Restitutionsfälle für Erben verhandelt. Restitution ist, davon bin ich überzeugt, hochsensibel und ein Prozess der vielen kleinen Schritte. Das Bewusstsein musste wachsen, es bedurfte eines Umlernens – das hat sich in die Leopold-Stiftung fortgetragen. Als ich 2005 mit Adele beschäftigt war, war der Bund überzeugt, das Bild müsse nicht restituiert, sondern hier bleiben.

STANDARD: 2005 war "Wally" schon sieben Jahre beschlagnahmt ...

Nödl: ... und ich noch nicht im Vorstand des Leopold Museums. Die Geschichte der Restitution in Österreich ist eine der Versäumnisse – auch des Gesetzgebers. Aber jenseits der Rechtslage besteht für uns Nachgeborene die Verpflichtung, sich der Vergangenheit zu stellen und – wie die Sache Wally zeigt – für beide Seiten faire und gerechte Lösungen zu finden.

STANDARD: "Wally" : eine Ikone der Kunst-, nun auch der österreichischen Restitutionsgeschichte?

Nödl: Erstmals wurde außerhalb von Bundes- oder in öffentlicher Hand befindlicher Museen eine privatautonome Lösung erarbeitet. Das weist den Weg für das weitere Vorgehen des Leopold Museums: Verträge auf Basis erforschter Fakten unter Einbeziehung der inhaltlichen Beurteilungen des bestellten Gremiums. Wobei mir wichtig ist, dass die Werke der Öffentlichkeit zugänglich

STANDARD: Aber viele Bilder kommen nie an die Öffentlichkeit. Man kann Sammler doch nicht dazu zwingen, sie auszustellen.

Nödl: Richtig. Dennoch meine ich persönlich, dass Kunst von großer Bedeutung Eigentumseinschränkungen hinnehmen muss – insofern, als sie jedenfalls eine Zeitlang für die Öffentlichkeit verfügbar sein soll. Das nenne ich übertragen einen kulturbolschewistischen Ansatz; rechtspolitisch würde ich gern eingreifen dürfen. (Andrea Schurian, DER STANDARD – Printausgabe, 21./22. August 2010)