Bild nicht mehr verfügbar.

Fliegt unser Wappenvogel, der "Aquila chrysaetos" in seinem ureigensten Revier rund um den Großglockner, dann kann er sich seiner Identität nie ganz sicher sein.

Foto: apa/Schlager

Als Steinadler hat man es nicht leicht: Fliegt unser Wappenvogel, der "Aquila chrysaetos" in seinem ureigensten Revier rund um den Großglockner, dann kann er sich seiner Identität nie ganz sicher sein.

Bei seinem Flug wechselt das stolze Tier quasi im Flug mehrmals den rechtlichen Status. Ist er in Salzburg als "jagdbares Federwild" deklariert, das aber einem "besonderen Schutz" unterliegt und damit nicht bejagt werden darf, ist er in Kärnten ebenfalls Federwild, allerdings einer "ganzjährigen Schonzeit" unterworfen.

Kompliziert wird es in Tirol, das den Adler schon seit 1205 im Wappen führt - also seit einer Zeit, als noch niemand an einen Bundesstaat Österreich dachte. In Tirol ist der Steinadler ebenfalls jagdbares Wild und einer "ganzjährigen Schonzeit" unterworfen, gleichzeitig aber auch als "geschützte Vogelart" nach Naturschutzgesetz zu sehen.

Und über all dem steht das Europarecht mit seiner Vogelschutzrichtlinie. Michael Proschek-Hauptmann, Geschäftsführer des Umweltdachverbands, zitiert das Beispiel des Adlers gerne, wenn er auf die Besonderheiten des Naturschutzrechts in Österreich eingeht. Naturschutz und Jagdrecht gehören - neben Jugendschutz, Bauordnung und Wohnbauförderung - zu den Bereichen, in denen die Bundesländer weit reichende Gestaltungsspielräume haben. Um dann aber, wie beim Adler, auf verschiedenen Wegen zum selben Ergebnis zu kommen.

"Man sieht, die unterschiedlichen Regelungszugänge fordern nicht nur vom Steinadler einen Adlerblick im bürokratischen Nebel der Bundesländer, auch für die Koordination effektiver Schutzmaßnahmen von bestimmten Arten und Lebensräumen über die Grenzen der Bundesländer hinweg ist der Aufwand unnötig hoch", sagt Proschek-Hauptmann.

Föderalisten halten dem entgegen, dass die Probleme in den einzelnen Ländern eben doch verschieden wären - schließlich gibt es im Leithagebirge und am Neusiedler See eine andere Flora und Fauna als im Hochgebirge und am Ossiacher See.

Und für all das brauche man eben eine lokale Zuständigkeit, weil die Probleme eben lokal am besten zu lösen wären. Daher hat Hans Kelsen, der Autor der Bundesverfassung von 1920 auf eine Balance geachtet: Ausdrücklich hat er festgelegt, dass der Bundesstaat "aus den selbständigen Ländern ... gebildet wird."

Hinter der rechtlichen Absicht hat sich bald eine politische formiert: Die "selbständigen" Länder sehen sich als ein Gegengewicht zum Wiener Zentralismus - in der Ersten Republik stand die bevölkerungsreiche Hauptstadt mit ihren aus der Monarchie stammenden Ministerien ohnehin im Verdacht, die Länder auszusaugen; man sprach von einem "Wasserkopf Wien".

Umso heftiger wurden und werden Länderrechte verteidigt, wenn auch nur der Anschein entsteht, sie könnten beschnitten werden. Noch 1964 gab es in der Vorarlberger Gemeinde Fußach einen veritablen Volksaufstand, als das Verkehrsministerium ein Bodenseeschiff auf "Karl Renner" taufen wollte. Es wurde schließlich - der Landesregierung folgend - auf "Vorarlberg" getauft.

Mit den Ländern mag man sich seither nicht anlegen, auch wenn mit schöner Regelmäßigkeit darauf verwiesen wird, dass der bundesstaatliche Verwaltungsaufbau durchkämmt werden könnte, um dort die für die Budgetsanierung notwendigen Mittel aufzubringen. Gestützt wird das teilweise von der Bevölkerung: Eine im Juni für den Standard durchgeführte Umfrage zeigt, dass 62 Prozent den Landeshauptmann für unverzichtbar halten, aber nur 43 den Landtag, also das Landesparlament. Tatsächlich zeigt eine genaue Beobachtung der Landtage, dass diese sich nur selten zu Sitzungen treffen und in diesen auch kaum Bewegendes zu beschließen haben.

Relevant sind sie allerdings alle fünf Jahre, wenn Landtagswahlen anstehen. Hier wird dann um die Besetzung der Landtagssitze geworben, als ob diese von Bedeutung wären. Tatsächlich aber geht es um die Landesregierungen, in denen tatsächlich die Macht daheim ist: Die Landesverwaltung ist vielen Bürgern näher als die Verwaltung des Bundes. Und die Landeshauptleutekonferenz ist zum eigentlichen Instrument der Durchsetzung von Länderinteressen geworden. (Conrad Seidl, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 21.8.2010)