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Stürmische Zeiten ...
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Als Jahrgang 1949 komme ich wie viele "kleine Leute" zum Handkuss. Wenn man Familie hat, ist es für eine Frau kaum möglich, 40 Versicherungsjahre vorzuweisen. Ich bin gelernte Schneiderin und habe bis zur Geburt meines Sohnes, dh. bis zum 30. Lebensjahr, gearbeitet. Nach drei Jahren stieg ich wieder als Teilzeittätige ein. Leider erwischte ich zweimal Firmen, die geschlossen wurden. Zwischenzeitlich war ich immer ein paar Monate arbeitslos gemeldet. Schließlich fehlten mir drei Versicherungsjahre.

Ab 1988 war ich mit 30 Wochenstunden beschäftigt. Mit 49 wurde ich gekündigt. Gründe: Direktionswechsel, Einsparungen und die Aussage, man wolle keine Teilzeitkräfte. Als ich meine Bereitschaft zur Vollzeit kundtat, wurde mir gesagt: "Wir wollen ein junges Team." Zehn Monate fand ich keine Beschäftigung. Um keine Jahre zu verlieren, nahm ich eine Putzstelle mit 20 Wochenstunden in einem Kindergarten an. Ich dachte mir, dass die Zeit bis zu meiner Pensionierung schnell vergehen würde. Leider bekam ich im Jahr 2000 anderthalb Jahre zusätzlich aufgebrummt und jetzt fasse ich nochmals ein Jahr mehr aus. Hätte ich gewusst, dass ich um 2 ½ Jahre länger arbeiten muss, hätte ich mir vielleicht nach längerem Suchen eine Ganztagsbeschäftigung gefunden.

Nicht nur, dass man als Putzfrau einen unverdient schlechten Ruf hat und man in der Hierarchie des Kindergartens weit unten steht, fehlen mir jetzt auch bei der Durchrechnungszeit "gute Jahre".

Was denkt sich Frau Rauch-Kallat, wenn sie zynisch sagt, sie gehe länger arbeiten, denn ohne Arbeit könne sie nicht leben? Dann soll sie einmal um 504,94 Euro putzen. Die Lust würde ihr vergehen! Mit 40 Jahren und wesentlich besserem Lohn habe ich mir die viel zitierte "eigene Säule" zu errichten begonnen, die aber jetzt für mich nur noch schwer zu finanzieren ist. Wenn der Selbstbehalt bei Arztbesuchen eingeführt wird, kann ich es mir aussuchen: die Säule einstürzen zu lassen oder den Arzt in Anspruch zu nehmen, denn in meinem Alter fangen die Wehwehchen an. Ich empfinde es als Frechheit, wenn man über Personen "drüberfährt", die keine Möglichkeit mehr haben, ihre Pensionshöhe zu beeinflussen. (Hertha Komarek/DER STANDARD, Printausgabe 26./27.04.2003)