Aktionäre, die sich von Beteiligungen trennen, haben zumeist nur ein Ziel: möglichst viel Geld für die Aktien zu bekommen. Die Zukunft des Unternehmens kann ihnen letztlich egal sein - dafür sind die neuen Eigentümer zuständig. Was allerdings für jeden privaten Aktionär gutes Recht ist, das darf die Verstaatlichtenholding ÖIAG für sich nicht in Anspruch nehmen.

Als Instrument der Republik Österreich hat sie auch andere Interessen als die Ertragsmaximierung zu vertreten. 100 Millionen Euro mehr in der ÖIAG-Kassa können mitunter teuer erkauft sein. Ein "strategischer Partner", der etwa die Voestalpine zu einem guten Preis übernimmt und später zerschlägt, könnte Österreich viel teurer kommen. Die Abwanderung von Konzernzentralen aus Österreich schädigt ein weites Umfeld von Dienstleistern wie Werbeagenturen, Rechtsanwaltskanzleien, Wirtschaftsprüfer und viele mehr. Die Verlegung von Forschung und Entwicklung vernichtet viele hochwertige Arbeitsplätze. Der verbleibende Rest der "verlängerten Werkbank" endet dann oft in einem Billiglohnland.

Für die ÖIAG sind die nun anstehenden Privatisierungen eine wirkliche Nagelprobe ihrer Unabhängigkeit. Schon einmal wurde auf politischen Druck hin eine Beteiligung wegen des Mehrerlöses an einen unpassenden Partner verkauft: Die Telekom Austria kam in italienische Hände, obwohl US-Investoren die für das Unternehmen interessantere Variante gewesen wären. Die daraufhin folgende mühsame Zeit der strategischen Stagnation und der anschließenden Scheidung haben die Marktposition der Telekom Austria nicht gerade verbessert.

An Voest, Böhler und VA Tech wird sich die Lernfähigkeit der ÖIAG und des Finanzministers zeigen. (DER STANDARD Print-Ausgabe, 26.4.2003)