Bild nicht mehr verfügbar.

Amerikanische Soldaten des 1. Bataillons des 116. Infanterieregiments, die bereits Anfang August den Irak verließen.

Foto: Reuters/Sudani

Die letzte Brigade, die ihre Aufgaben bereits Anfang August den Irakern übergab, ist weg, bis Ende August werden weitere 6000 Soldaten abziehen.

*****

Bagdad/Wien - Es wurde am Donnerstag so etwas wie ein Medienselbstläufer: "Die letzten amerikanischen Kampftruppen haben den Irak verlassen." Es stimmt zwar nicht ganz, ist jedoch auch nicht ganz falsch: Denn die letzte mit Kampfoperationen betraute Brigade der US-Armee - die 4. Stryker-Brigade der 2. Infanteriedivision, die ihre Aufgaben bereits vor fast zwei Wochen an die irakische Armee übergeben hatte - wurde tatsächlich nach Kuwait verlegt, aber nicht am Donnerstag, sondern bereits in den Tagen zuvor.

Am Donnerstag durften die Journalisten, die die abziehenden US-Soldaten begleiteten, ihre Nachricht des komplettierten Abzugs unter die Leute bringen, und das fiel entsprechend laut aus.

Aber der genaue Zeitpunkt ist auch gar nicht entscheidend: Der gesamte Abzug der kämpfenden Truppe ist ein langer Prozess, und er wird am 31. August abgeschlossen sein. Vorgezogen, wie von manchen Medien gemeldet, wurde der Abzug keineswegs. Momentan sind laut Auskunft der US-Armee noch 56.000 Mann im Irak, 50.000 sollen es ab September sein, die hauptsächlich Beratungs- und Ausbildungsaufgaben wahrnehmen werden. In den letzten 18 Monaten wurde die US-Truppenstärke im Irak langsam um insgesamt 90.000 reduziert. Zu den allerstärksten Zeiten nach dem "Surge" , der Aufstockung während des Bürgerkriegs, waren zur Jahreswende 2007/2008 160.000 US-Soldaten im Irak.

Der US-Abzug ist im bilateralen Abkommen, dem "Sofa" (Status of Forces Agreement) zwischen dem Irak und den USA, damals noch unter Präsident George W. Bush, festgelegt - und er ist heute durch wachsende Gewalt überschattet. Zu Wochenbeginn wurden bei einem Attentat, das sich gezielt gegen irakische Armeerekruten richtete, mindestens 60 Menschen getötet. Auch die Aussagen des irakischen Armeechefs Bubaker Zebari, seine Armee sei eigentlich noch nicht in der Lage, die alleinige Verantwortung für die Sicherheit zu übernehmen, stimmt nicht optimistisch. Laut der Einschätzung Zebaris bräuchten die Iraker die US-Unterstützung und -Präsenz bis 2020.

Ganz ausschließen will niemand, dass die irakische Regierung die amerikanische doch noch ersucht, ihre Truppenpräsenz zu verlängern. Nach jetzigem Stand wird es jedoch folgendermaßen weitergehen: Die jetzt verbleibenden 50.000 Soldaten sollen bis Ende 2011 abziehen. Aber bereits ab Herbst 2011 wird das State Department die Aufgaben des Pentagons im Irak übernehmen. Auch im Sicherheitsbereich wird es auf sich allein gestellt - das heißt auf private Sicherheitsfirmen angewiesen - sein.

Besondere Sorge bereitet eine Aufgabe, die die US-Armee in den vergangenen Jahren eher still und leise wahrgenommen hat: Kurden und Araber in den umstrittenen Gebieten voneinander zu trennen, und zwar nicht nur die Bevölkerung, sondern auch die Sicherheitskräfte, Peshmerga von irakischer Armee. Es kommt immer wieder zu Problemen, die mit trilateral - kurdisch, arabisch und amerikanisch - besetzten Checkpoints gemildert werden konnten. Das ist keine typische Diplomatenarbeit - und auch keine für private Sicherheitsfirmen. (Gudrun Harrer/DER STANDARD, Printausgabe, 20.8.2010)