Im Magen dieses Drückerfischs fanden Forscher 47 Plastikteile. Wo der ganze Rest steckt, ist nicht so klar.

Foto: SEA/David M. Lawrence

Washington - Jedes Jahr werden Milliarden von Gegenständen aus Plastik erzeugt - und ein großer Teil davon landet kurz darauf im Müll. Allein in den USA waren es 2008 geschätzte 14,5 Millionen Tonnen. Wie viel Plastikabfall indes in den Ozeanen landet, weiß niemand. Ein gigantischer Müllteppich im nordöstlichen Pazifik hat mittlerweile traurige Berühmtheit erlangt.

Studenten und Forscher der "Sea Education Association" (SEA) in Woods Hole, Massachusetts, haben im Rahmen von jährlichen Schiffsexkursionen seit 1986 mit Planktonnetzen mehr als 6100 Proben von der Meeresoberfläche im Westatlantik und der Karibik gesammelt. Mehr als 64. 000 Plastikpartikel wurden von Hand sortiert und nummeriert.

Die aus dieser Sisyphusarbeit hervorgegangenen Daten wurden von einem Expertenteam aus SEA-Wissenschaftern sowie Kollegen anderer Institutionen ausgewertet. Das Ergebnis der Studie erschien nun als Online-Vorabveröffentlichung des Fachmagazins Science.

Der Plastikmüll verteilt sich nicht gleichmäßig im Ozean. Während in Küstennähe und in der Karibik meist Konzentrationen von circa 1500 Partikel pro Quadratkilometer gemessen wurden, tummelten sich weiter östlich um den 30. Breitengrad durchschnittlich mehr als 20.000 Plastikteilchen auf einem Quadratkilometer Meeresoberfläche. Computersimulationen nach zu urteilen wird der Müll dort von kreiselnden Strömungen zusammengetragen, erklärt Kara Law, Erstautorin der Studie, gegenüber dem Standard.

Die Konzentrationen sind zwar beeindruckend hoch, doch erstaunlicherweise zeigen die Daten einen seltsamen Trend: Seit Beginn der Messungen konnten die Forscher in den genannten küstenfernen Regionen keine eindeutige Zunahme der schwimmenden Müllmengen feststellen. Die Partikeldichten bewegten sich aber immer um den besagten Mittelwert.

Die Wissenschafter stehen nun vor einem Rätsel. Die globale Kunststoffproduktion stieg von 1976 bis 2008 nämlich um das Fünffache. In den USA vervierfachte sich die jährlich anfallende Menge Plastikmüll seit 1980. Warum steigen also die Partikel-Konzentrationen im Atlantik nicht?

Möglicherweise wird ein Teil durch chemische und physikalische Einflüsse sehr stark zerkleinert. "Wir wissen, dass wir nicht alle Plastikteilchen mit unseren Netzen fangen", sagt Kara Law. Die Experten machten indes noch eine andere erstaunliche Beobachtung: Die Kunststoffpartikel werden anscheinend intensiv von Mikroorganismen besiedelt.

Dadurch ändert sich das Gewicht der Teilchen, wodurch sie absinken könnten. Oder verdauen Bakterien sie vielleicht sogar? Law: "Die Frage ist jetzt, ob sich die Mikroben tatsächlich anpassen, um Plastik als Nahrungsressource nutzen zu können." (Kurt de Swaaf, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 20. August 2010)