Das Bahnorama ist der höchste begehbare Holzturm Europas.

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Bis zu einer Stunde warteten die ersten Besucher auf den Aufstieg.

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Projektkoordinator Sigi Herzog beantwortete Fragen auf der Plattform.

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Von der Aussichtsplattform aus, kann man die gesamte Hauptbahnhofbaustelle überblicken.

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Schon im Mitte Mai hatte derStandard.at erstmals vom Bahnorama aus fotografieren dürfen - die Bilder der damaligen Serie sind hier zu finden.

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„Der ist so hoch, das gefällt mir nicht - aber für die Jungen ist das sicher was", sagt Hedi, 86 Jahre und blickt den Holzturm entlang in die Höhe. „Ich finde es eine tolle Sache, dass man so einen super Ausblick über die ganze Baustelle hat", meint die 66-jährige Eva und Martin, 27, findet, dass das Gebilde „ziemlich lustig aussieht".

Gemeint ist der „Bahnorama" am Südtirolerplatz, ein Aussichtsturm mit 66,72 Meter Höhe, der einen Überblick über die Baustelle des Wiener Hauptbahnhofs bietet. Damit ist die rund 150 Tonnen schwere Konstruktion der höchste begehbare Holzturm Europas. Doch nicht nur ein Rundumblick, soll mit der Einrichtung geschaffen werden, sondern auch ein Einblick in das zurzeit größte Bauprojekt Wiens. Im Untergeschoß des Turmes befindet sich eine Ausstellung, die die Besucher über die Vorteile des Hauptbahnhofs informieren soll. In Kategorien, wie „Pendler", „Experten" oder „Anrainer" unterteilt, soll hier jeder Interessent die Information finden, die er sucht.

4,7 Millionen Euro kostete der Turm

Es ist kurz vor zwölf Uhr am Eröffnungstag und vor dem Eingang des Turmes tummeln sich schon zahlreiche Schaulustige und Besucher. Die Blaskapelle macht sich für ihren großen Auftritt bereit und ein Moderator stimmt die Leute auf den bevorstehenden Einlass ein. Auf Heurigenbänken und Steinstufen diskutieren die Angereisten das Projekt und dabei vor allem die Kosten von 4,7 Millionen Euro. „Ich finde, dass die Kosten ein bisserl hoch sind", sagt Pensionistin Eva, „wenn man Eintritt verlangen würde, würde sich das vielleicht eher rentieren, aber mehr als fünf Euro hätte ich dann auch nicht gezahlt."

Martin, der bereits seine Kamera gezückt hat, um die Eröffnung zu fotografieren, denkt, dass „der ganze Hauptbahnhof eigentlich unnötig ist. Im Endeffekt sind das ja dann nur noch Bürogebäude und die Stadt gibt bei dem Projekt Geld aus, das sie eigentlich nicht hat." Die pensionierte Hedi wiederum glorifiziert die Vergangenheit: „Ich kenn das Viertel schon seit dem Jahr 1950 und seitdem hat sich so vieles zum Schlechten verändert. Ich brauch den ganzen Bahnhof nicht. Was haben wir Anrainer denn schon davon, außer Tag und Nacht den Baustellenlärm?"

Lange Schlangen vor dem Aufstieg

In der Ausstellungshalle nehmen unterdessen die Kinder vom Chor, der im Rahmen der Eröffnung auftritt, den interaktiven Rundgang unter die Lupe und sind sich einig: „Der Turm ist super und sehr schön". Zeit um auf die Aussichtsplattform hinaufzufahren, hätten sie aber nicht, denn sie müssten jetzt noch ein Lied vor dem Eingang singen. Um das Panorama von ganz oben bewundern zu können, brauchte man vor allem in den ersten Stunden des ersten Tages viel Geduld. „Der Lift ist leider kaputt, deshalb müssen wir auf Stiegenbetrieb umstellen", lässt ein Mitarbeiter des Organisationsteams die wartenden Besucher wissen. Das bedeutet: Nur Gruppen in der Größe von dreizehn Personen dürfen alle fünfzehn Minuten die 250 Treppen auf den Turm steigen. Unmut macht sich in der Warteschlange breit.

Insgesamt 250 Stufen

Nach zehn Minuten geben die ersten Wartenden auf und verlassen die Schlange mit den Worten „Ich schau mir das an, wenn weniger los ist" oder „Glaubst ich stell mich da an?" oder knapp mit „Es reicht!" Diejenigen, die es schließlich nach langer Wartezeit Richtung Aussichtsplattform geschafft haben, werden dann mit einem, vor allem für die älteren Besucher, anstrengenden Aufstieg konfrontiert. Oben angekommen, haben sich dann für die meisten die „Strapazen" gelohnt. „So einen Ausblick bekommt man nicht alle Tage geboten", ist sich der 61-jährige Paul sicher.

Gesamtprojektkoordinator stand Rede und Antwort

Interessierte konnten sich auf der Plattform bei Sigi Herzog, dem Gesamtprojektkoordinator Wiener Hauptbahnhof, persönlich über den Stand der Dinge und das Großprojekt informieren. Warum man den doch eher ungewöhnlichen Aussichtsturm gebaut hat? „So ungewöhnlich ist der gar nicht, wenn man ihn international vergleicht. In Hamburg, Berlin oder Paris sind solche Überblicksmöglichkeiten über Großbaustellen mittlerweile Standard", erzählt Herzog. „Wir wollten die Leute nicht ausschließen und ihnen mit Bahnorama die Möglichkeit geben, dass sie beobachten können, wie sich ihr Stadtviertel verändert." Warum man heute so lange auf den Aufstieg warten muss? „Ganz ehrlich? Wir haben den Ansturm einfach unterschätzt", sagt Herzog und ein Sicherheitsbeamter fügt hinzu: „Es funktioniert einfach nicht wie geplant, jetzt wo der Lift auch noch kaputt ist."

Turm steht noch mindestens fünf Jahre

Was für die Security-Teams ein stressiger Tag ist, ist für die bereitgestellte Sanitätergruppe (zum Glück) eine ruhige Veranstaltung. „Wir hatten heute noch nichts zu tun, keine Kreislaufzusammenbrüche und es ist auch noch niemand über die Treppen gestürzt", erzählen die Mitarbeiter des Samariterbundes. Man hoffe, dass es auch weiterhin so ruhig bleibe, immerhin sei der Turm ja noch bis 22 Uhr geöffnet.

Auch in den Folgetagen rechnen die Veranstalter mit einem ähnlich hohen Besucheransturm. Für die Leute, die das Bahnorama von Wien aber noch genießen wollen, rät ein Mitarbeiter des Organisationsteams: „Zeit lassen, der Turm steht ja immerhin noch mindestens fünf Jahre." Bis dahin, also 2015, soll der Wiener Hauptbahnhof dann fertiggestellt sein. Was mit der Aussichtsplattform dann passiert, weiß niemand. (bbl, derStandard.at, 19. 08. 2010)