Die neue rechtsliberale oder gemäßigt konservative slowakische Regierung von Iveta Radicová hat die an sie geknüpften Hoffnungen überraschend schnell enttäuscht. Nach der Abwahl der nationalistischen und populistischen Fico-Regierung hatte man nicht nur in der Nachbarschaft, sondern auch in Brüssel einen politisch paktfähigen und wirtschaftlich berechenbaren Kurs, gekoppelt mit konkreten Maßnahmen gegen die wuchernde Korruption, erwartet.

Es war freilich von Anfang an offensichtlich, dass diese Koalition, bestehend aus zwei miteinander rivalisierenden christdemokratischen Gruppierungen, einer neoliberalen und einer neuen ungarisch-slowakischen Partei, auf wackligen Beinen steht. Mit nur 79 der 150 Parlamentssitze gegenüber einer starken Linksopposition kann die Regierung den von Radièová angekündigten "grundlegenden Wandel" im besten Fall nur in manchen Teilbereichen - wie der Verbesserung der Beziehungen zu Ungarn - verwirklichen.

Das Nein aus Pressburg zum Rettungspaket der Euro-Zone für Griechenland hat zu Recht die EU geschockt und in der internationalen Presse einhellig negative Reaktionen ausgelöst. Warum? Es geht nicht um die finanziellen, sondern um die politischen Folgewirkungen dieses Bruchs mit der europäischen Solidarität. Der slowakische Anteil an dem 80 Milliarden Euro Hilfspaket an Athen beträgt zwar nur rund ein Prozent, also etwa 800 Millionen Euro. Darüber hinaus klingt die Rechtfertigung der Verweigerung durch Finanzminister Ivan Miklos auf den ersten Blick einleuchtend: "Wenn es um die Solidarität von Armen mit Reichen und Verantwortungsvollen mit Verantwortungslosen geht, dann sehe ich das nicht als Solidarität".

Trotzdem ist die außerordentlich scharfe Rüge des luxemburgischen Ministerpräsidenten und hoch angesehenen Vorsitzenden der Euro-Gruppe, Jean-Claude Juncker, aus zwei Gründen berechtigt: "Die Slowakei spielt mit dem Feuer!" Erstens weiß jeder Beobachter, wie fragil die europäische Solidarität mit Griechenland ist und wie schnell weitere Euro-Staaten aus innenpolitischen Gründen dem slowakischen Beispiel folgen könnten. Als jüngstes Mitglied der Euro-Zone müsse die neue slowakische Regierung lernen, dass die Währungsunion nur kollektiv und solidarisch funktioniere. warnte Juncker.

Die Slowakei hatte außerdem aus der gemeinsamen EU-Kasse schon Milliarden vor und nach dem EU-Beitritt erhalten und als Nettoempfänger bekam sie 2008 immerhin 725 Millionen Euro. Angesichts der Erbschaft der skandalösen Meciar-Regierung war der Weg der Slowakei nach Brüssel damals keineswegs unumstritten, und es kann keineswegs ausgeschlossen werden, dass im Falle innenpolitischer Turbulenzen die Pressburger Regierung selber in Nöte geraten könnte. Es gibt keine juristische Handhabe gegen die Slowakei.

Die ganze Angelegenheit mag als ein Sturm im Wasserglas erscheinen. In der internationalen Politik zählt jedoch das Prinzip des gegenseitigen Wortes. Die Radicová-Regierung mag sich kurzfristig über den populistischen Zuspruch freuen; sie hat aber das Vertrauen bei Freunden, nicht nur in Brüssel, durch ihr Verhalten beschädigt. (Paul Lendvai/DER STANDARD, Printausgabe, 19.8.2010)