Sie ist eine Steuer mit vielen Namen: Tobin-Tax, Transaktions- oder Spekulationssteuer. Die Abgabe auf Finanztransaktionen am Devisenmarkt wird seit dem Vorschlag von John Maynard Keynes in den 1940er-Jahren immer wieder auf politischer Ebene diskutiert. Doch während das breite politische Interesse an der Abgabe erst mit den Budgetkrisen wieder neu aufgeflammt ist, hat die Wirtschaftsforschung schon davor die Effekte der Steuer wissenschaftlich untersucht.
Eine einfache Idee
Die Idee des Nobelpreisträgers James Tobin war einfach: Eine kleine Steuer (zwischen 0,002 und 0,1 Prozent) auf Devisentransaktionen würde ausreichen, um Spekulanten aus dem Markt zu drängen und den Devisenmarkt zu stabilisieren. Denn jene Händler, die nur auf kurzfristige Bewegungen spekulieren und damit Schwankungen an den Märkten verursachen, würden keinen Gewinn mehr machen können und folglich ihr Geschäft aufgeben. Zwei Ziele könnten damit erreicht werden: einerseits mehr Stabilität bei Währungen und andererseits höhere Steuereinnahmen.
Ökonomen hatten vor allem theoretisch versucht, Argumente für und wider eine Tobin-Steuer zu finden, oder Märkte mithilfe von Gleichungssystemen "simuliert". Doch jetzt schalten sich zusehends experimentelle Wissenschafter in die Debatte ein. Sie konstruieren kontrollierte Experiment-Märkte, auf denen Testpersonen ökonomischen Problemen gegenüberstehen. Besonders im Bereich der Finanzmärkte und der Mikroökonomie, die Entscheidungen von Haushalten und Unternehmen analysiert, ist diese Methode auf dem Vormarsch.
Michael Kirchler, Privatdozent am Institut für Banken und Finanz an der Universität Innsbruck und Gastprofessor am Center for Finance an der Universität Göteborg, untersucht die Tobin-Steuer mithilfe der experimentellen Methode. Aus den ersten Ergebnissen eines vom Wissenschaftsfond FWF geförderten Forschungsprojekts schließt er, dass die Effekte der Abgabe stark von der genauen Umsetzung abhängen.
Effiziente Struktur gefragt
Eine wichtige Rolle spielt etwa die globale Implementierung der Steuer: "Wenn Spekulanten die Möglichkeit haben, auf einen anderen, steuerfreien Markt auszuweichen, wird in diesen Märkten das Volumen steigen." Existiert also eine unbesteuerte Alternative, etwa eine Steueroase, würde eine Transaktionssteuer nur die Spekulation in ein anderes Land verschieben.
Genau das passierte etwa, als Schweden ab 1984 Transaktionssteuern auf den Handel mit Wertpapieren einhob. Das Volumen gehandelter Anleihen-Futures, also Terminkontrakte auf Schuldtitel, kollabierte um 98 Prozent, gehandelt wurde außerhalb von Schweden, denn die Steuer war nicht sehr effizient strukturiert.
Auch diese Erfahrung spricht für den Tiroler Forscher gegen politische Alleingänge bei Tobin-Steuern: "Wenn etwa nur Österreich eine Steuer einführt, hätte das den Effekt, dass der heimische Markt austrocknet. Die Tobin-Steuer sollte daher möglichst global umgesetzt werden."
Händler und "Chartisten"
Das Ziel der Steuer ist auch, Spekulation einzudämmen und damit die Märkte zu stabilisieren. Um diesen Erfolg zu messen, unterscheiden Studien daher oft zwischen fundamentalen Händlern und "Chartisten". Letztere nutzen Muster in den Kursverläufen (in den "Charts"), um Wechselkursbewegungen vorherzusagen und damit Gewinn zu machen, sie gelten als "Spekulanten", weil sie den Markt destabilisieren. Diese Händler sind von einer Tobin-Steuer betroffen, weil sie nur auf kleine Veränderungen in den Kursen wetten.
Eine wichtige Rolle spielt auch, wie viele Akteure vom Markt gedrängt werden. "Die Liquidität ist sehr wichtig für die Effekte einer Transaktionssteuer", betont Kirchler. "Wenn die Liquidität konstant bleibt, dann kommt man zu dem erwünschten Effekt von Tobin: Die Volatilität (die Kursschwankung, Anm.) auf dem Markt sinkt."
Reduziert die Steuer das Handelsvolumen zu sehr, kann sich der Effekt umkehren. Fällt das Volumen auf dem Markt zu stark, könnten die Schwankungen auf den Devisenmärkten wieder steigen. Wenn sich nur mehr wenige Händler gegenüberstehen, sind größere Kurssprünge möglich. Auch hier spielt die politische Koordination eine Rolle: "Studien zeigen, dass eine global eingeführte Tobin-Steuer die Volatilität nicht erhöht - darüber besteht, unabhängig von der verwendeten Forschungsmethode, einigermaßen Konsens", resümiert Kirchler
Die Forschung zeigt, dass politischer Konsens und internationale Koordination notwendig sind, damit eine Devisentransaktionssteuer erfolgreich sein kann. Darüber hinaus betont Kirchler, dass eine Einigung über die Höhe eines Steuersatzes nicht ausreicht. Es bedarf weiterer Maßnahmen, um die Steuer erfolgreich umzusetzen, nämlich Schlupflöcher zu stopfen und die Steuer effizient zu gestalten. (Lukas Sustala/DER STANDARD, Printausgabe, 18.08.2010)
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Wissen: EU-Steuer
Die aktuelle Wirtschaftskrise hat einen neuen politischen Vorstoß in Sachen Steuer auf Finanztransaktionen ausgelöst. Einzelne Regierungen in Europa drängen auf die Einführung dieser Steuer, darunter die deutsche Bundesregierung unter Kanzlerin Merkel. In Österreich sprechen sich die Sozialdemokraten unter Bundeskanzler Werner Faymann für eine solche Steuer aus.
Auch der Internationale Währungsfonds hat als Reaktion auf die Krise die Finanztransaktionssteuer befürwortet. Jedoch ist eine weltweite Steuer nach dem jüngsten Gipfel der G-20, der Gruppe der zwanzig wichtigsten Industrie- und Schwellenländer, "vom Tisch".
Jedenfalls befürworten viele hochrangige Politiker aus Deutschland und Frankreich einen Alleingang der Europäischen Union, um die Steuer einzuführen. Auf europäischer Ebene wird die Transaktionssteuer als mögliche EU-Steuer diskutiert. (sula)