Verspielte Glaubwürdigkeit: Ein BP-Helikopter kreist über dem Golf von Mexiko - wollte BP Internet-user glauben machen. Links oben vergaß das PR-Büro aber, einen Tower wegzuretuschieren.

Foto: BP

Wien - Wenn Frank Roselieb recht hat, kann die PR-Abteilung von BP bald vorerst aufatmen: "Etwa sechs Wochen nach der Krisenbewältigung ist das Ding erstmal durch" , sagt er. "Dann hört die mediale Aufmerksamkeit auf, und die Kunden vergessen es." Roselieb ist Direktor des deutschen Instituts für Krisenforschung und derzeit sehr beschäftigt: Russland in Flammen, Ölpest, Love Parade, ausgefallene Klimaanlagen in ICEs - zahlreiche Krisen wollen bewältigt und erforscht werden.

"Es gibt drei Etappen, in denen ein Imageschaden auftritt" , erklärt Roselieb. "Das Ereignis an sich, allfällige Prozesse und das Déjà-vu, wenn wieder ein Fehler passiert. Während die ersten beiden relativ schnell wieder vorbei sind, kann der Schaden nach einem Déjà-vu sehr nachhaltig sein. Die Menschen sehen das dann als Beweis Ihrer Unfähigkeit."

Genau das sei in den USA passiert: Bereits 2005 gab es ein Unglück in einer BP-Raffinerie in Texas, 2006 eines mit einer BP-Pipeline in Alaska. In den USA brachen BPs Umsätze nach der Katastrophe an manchen Tankstellen um bis zu 40 Prozent ein - ganz anders in Europa: "Unser Image hat sicher gelitten, aber wir hatten keinen Verkaufsrückgang, weder in Österreich noch in Europa" sagt BP-Sprecherin Monika Matausch.

Sensibler als Kunden sind potenzielle Mitarbeiter und Investoren: "Der mit Abstand größte und meist unterschätzte Schaden nach einem solche Unglück ist der auf dem Beschaffungsmarkt" , erklärt Roselieb. "Hochschulabsolventen schauen sich genau an: Will ich dort arbeiten? Was sagen meine Freunde, wenn ich dort anfange? Investoren fragen sich: Lohnt sich das oder habe ich den nächsten Totalausfall?"

Boykottpotenzial verschieden

Härter als einen Mineralölkonzern trifft ein Vertrauensverlust einen Autobauer wie etwa Toyota. Wegen eines angeblichen Defekts an den Gaspedalen musste das Unternehmen kürzlich hunderttausende Fahrzeuge zurückholen. "Autos oder Immobilien sind High-Involvement-Branchen. Da überlegen Sie sehr genau, bevor Sie kaufen. Hier ist das Boykottpotenzial erheblich, das Image sehr wichtig" , sagt Roselieb.

Dieses wieder zu reparieren ist Harald Schiffls Job. Als am Hartberger Bauernquargel der Firma Prolactal acht Menschen starben, übernahm er die Krisenkommunikation der Firma. Auch die Kapruner Bergbahnen vertritt er, seit 2000 bei einem Brand in der Bahn 155 Menschen starben.

"Falsche Krisenkommunikation kann zur Pleite einer Firma führen" , sagt er. "Die ersten Minuten nach einem Unglück sind entscheidend. Wie ich da kommuniziere, hat Einfluss darauf, wie ich in zehn Jahren gesehen werde oder ob ich riesige Entschädigungszahlungen leisten muss. Richter und Staatsanwälte sind unabhängig, aber mir kann niemand einreden, dass diese Leute von den Medien nicht beeinflusst sind."

Eines wird seiner Meinung nach in der Krisenkommunikation oft vergessen: "Das Coachen der Mitarbeiter. Das sind ihre wichtigsten Botschafter. Wenn ein Unternehmen 10.000 Mitarbeiter hat, dann können die die Meinung von mindestens 50.000 Menschen direkt beeinflussen.

In einem Punkt sind sich Krisenmanager und -forscher einig: Nur die Wahrheit sagen hilft. "Es gibt drei Grundregeln der Krisenkommunikation: Sie müssen schnell kommunizieren, sonst machen das die Medien ohne Sie; Sie dürfen nicht nur zugeben, was schon bekannt ist, sondern müssen Transparenz bieten; und Lügen und Dinge zurechtbiegen funktioniert nicht" , sagt Roselieb. (Tobias Müller, DER STANDARD - Printausgabe, 13. August 2010)