In der Installation "Auto Sex" werden Besucher zu gespiegelten Protagonisten

Foto: Museum Ludwig Köln

Neapel - Das Museum Madre im Gassengewirr der Altstadt von Neapel zu finden ist eine Herausforderung. Nicht einmal im wenige Straßen entfernten Literaturcafé wusste man, dass vor fünf Jahren im Palazzo Donnaregion Neapels neues Domizil für Gegenwartskunst eingerichtet wurde. Im Haus nimmt man mangels Beschilderung auf gut Glück den Aufzug, im obersten Stock weist dann eine Aufseherin in freundlichem, aber sehr bestimmtem Ton darauf hin, dass man den Rundgang durch die Franz-West-Ausstellung gegen den Uhrzeigersinn zu absolvieren habe.

Dabei haben die vier Kuratoren in enger Zusammenarbeit mit dem österreichischen Künstler gezielt Arbeiten aus unterschiedlichen Schaffensperioden kombiniert, sodass bewusst kein chronologischer Ablauf vorgesehen ist. Die mehr als 40 Arbeiten bieten einen komplexen Überblick und betonen den retrospektiven Charakter der Ausstellung, die schon im Museum Ludwig in Köln zu sehen war. Nach Neapel ist die nächste Station das Kunsthaus Graz, Peter Pakesch war einer der Kuratoren.

Dennoch ist diese Ausstellung anders: Sie lädt zum Mitmachen ein, wie schon der Titel Autotheater suggeriert. Hinter einem von Wests Paravents klebt eine genaue Gebrauchsanweisung: "Treten Sie hinter den Paravent, entkleiden Sie sich und legen das Gewand auf den Sessel. Bleiben Sie circa fünf Minuten so und verhalten Sie sich nach eigenem Ermessen. Um nicht gestört zu werden, wenden Sie sich bitte vorher an den Saalwächter. Er wird andere Besucher darauf hinweisen, dass dieses Objekt besetzt ist, und sie fernhalten."

Beim Auto Sex, einer Installation mit einer zweieinhalb Meter hohen halbdurchsichtigen Spiegelfolie, können sich zwei Menschen - einander gegenübersitzend - betrachten. Das Bild bewegt sich, ist verzerrt. Die Spiegelfolie stammt von Heimo Zobernig. Seit den Neunzigerjahren arbeitet West zunehmend mit anderen Künstlern zusammen. Michelangelo Pistoletto war bei der Entstehung der Installation Spiegel in Kabine mit Passstücken dabei. Die seit den Siebzigerjahren bekannten "Passstücke" kann und soll der Betrachter in die Hand nehmen, sie sich um den Körper winden und so zum aktiven Kunstteilnehmer werden: Wests Mitmachkunst macht aus Betrachtern Protagonisten.

Sie können auch auf den seit der Documenta IX bekannten Diwanen lümmeln, sich von Videos berieseln lassen, in denen Franz West der Hauptdarsteller ist. Die Grenzen zwischen bildender und angewandter Kunst werden aufgelöst, das Museum wird zum Heimkino.

Zu den witzigsten Werken gehört eine hohe, in einem alten Besenstiel endende Skulptur, deren Titel Deutscher Humor / German Measles für sich spricht. Das ist Wiener Schmäh, den man in Neapel und Graz vermutlich besser versteht als in Köln. Voller Ironie ist auch der Titel Endlich zwei gute Skulpturen. Dass zum Abschied Franz Wests Konterfei dutzendfach von einer Tapete grinst, ist ein gelungener Schlusspunkt für diese humoristische Retrospektive. (Alexandra Föderl-Schmid