Italien ist angeekelt von der Vorstellung, die seine Politiker bieten. "Deren einziges Ziel ist die Selbstversorgung." Das rüde Urteil der katholischen Zeitung Famiglia Cristiana wird Premier Silvio Berlusconi wohl kaum aufregen. Wenige Tage nach dem Verlust seiner Parlamentsmehrheit peilt der Cavaliere vorzeitige Neuwahlen an. Er wird dabei von seinem Koalitionspartner Lega Nord unterstützt. Wahrscheinlichster Termin dafür ist der kommende März.

Zwar gilt ein erneuter Sieg des 74-Jährigen als keineswegs ausgemacht, doch kann er auf seine bewährte Fähigkeit setzen, die Massen zu mobilisieren. Außer Zweifel steht, dass Berlusconi Neuwahlen weniger fürchten muss als seine frustrierten Gegner. Im schwächelnden linken Partito Democratico machen sich drei selbsternannte Bewerber das Recht auf die Spitzenkandidatur streitig, über wichtige Programmpunkte und mögliche Allianzen herrschen gegensätzliche Auffassungen.

Lega-Chef Umberto Bossi sieht in Neuwahlen den "einzigen Ausweg aus dem derzeitigen Sumpf". Gut möglich, dass Berlusconi dabei im Senat mit einer Wackelmehrheit dasselbe Schicksal erleidet wie sein Vorgänger Romano Prodi und es zur politischen Paralyse und einer weiteren Runde an Parlamentswahlen kommt. Doch dass ein neuer Urnengang wieder im alten politischen Sumpf endet, ist für die politikmüden Italiener nichts Neues. (Gerhard Mumelter/DER STANDARD, Printausgabe, 12.8.2010)