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Nach der Rauchglocke drohen Moskau nun Gewitter und Überschwemmungen: Der ausgetrocknete Boden und die veraltete Kanalisation können mit großen Wassermengen nicht fertig werden - Ministerpräsident Putin kämpft unterdessen gegen den Imageverlust

Foto: REUTERS/Ria Novosti

Im Gebiet Rjasan gibt es seit Dienstagnachmittag zwei Brände weniger. Das Garaus wurde ihnen vom russischen Regierungschef Wladimir Putin höchstpersönlich gemacht. Eigentlich sollte Putin im Salon des Amphibienflugzeuges Be-200 Platz nehmen und die Löscharbeiten per Infrarotkamera verfolgen, berichtete die russische Nachrichtenagentur Itar-Tass.

Den starken Mann Russlands hielt es jedoch nicht lange vor dem Bildschirm. Kurz nach dem Start übernahm Putin das Steuer des Co-Piloten. Während des 30 Minuten langen Flugs lenkte der Premierminister die Wasserentnahme aus dem Fluss Oka und den Abwurf von insgesamt 24 Tonnen Wasser auf zwei Brandherde mit.

Trotz seiner publikumswirksamen Aktionen stürzen Putins Beliebtheitswerte derzeit in ein Umfragetief. Die Zustimmungsraten für Regierungschef Putin und Präsident Dmitri Medwedew sind laut dem Meinungsforschungsinstitut FOM auf den niedrigsten Stand seit Juli 2008 gesunken. Nur noch 52 Prozent vertrauen Medwedew, Putin erhielt eine Zustimmung von 61 Prozent. Im Jänner lagen die Werte bei 62 Prozent für den Präsidenten und 69 Prozent für den Premier.

Anderen Umfragen zufolge fällt die Zustimmung noch geringer aus. Dabei sind die Folgen der Brände noch gar nicht vollständig berücksichtigt, da die Umfragen Ende Juli durchgeführt wurden. Russische Politologen sehen dennoch keine große Gefahr für das russische Führungstandem, da es derzeit keine politische Alternative gibt und die Fernsehstationen fest in staatlicher Hand sind. "Die Menschen werden den lokalen Behörden oder inkompetenten Feuerwehrleuten, aber nicht den Topleuten an der Spitze des Landes die Schuld geben" , sagte Lew Gudkow vom Meinungsforschungsinstitut Lewada laut Reuters.

Dennoch reißt die Kritik am russischen Katastrophenmanagement nicht ab. Obwohl Meteorologen bereits im Frühjahr einen überdurchschnittlich heißen Sommer prognostizierten, seien keine Brandschutzmaßnahme ergriffen worden, schreibt das Magazin Nowoje Wremja. Für ganz Russland seien nur vier Löschflugzeuge Be-200 angeschafft worden. Außerdem hätten lokale Behörden statt Löschfahrzeugen Luxusautos und SUVs gekauft.

Trotz des Einsatzes von rund 165.000 Katastrophenhelfern und internationaler Hilfe lodern in Russland noch immer mehr als 550 Brände auf einer Fläche von mehr als 1.700 Quadratkilometern. Die meisten Einsatzkräfte versuchen derzeit ein Übergreifen der Flammen auf Atomanlagen und radioaktiv verseuchte Gebiete zu verhindern.

Atommülllager sicher

Greenpeace warnte, dass die radioaktive Gefahr größer ist als bisher von den russischen Behörden eingeräumt. Auf Satellitenfotos seien 20 Brände in radioaktiv verseuchten Gebieten zu sehen. Besonders betroffen ist das Gebiet Brjansk im Westen, das nach dem GAU im ukrainischen Tschernobyl 1986 verstrahlt wurde. Entwarnung gaben die Behörden am Dienstag für das Atommüllager Majak. Die Brände seien unter Kontrolle.

Den Moskauern machten die Meteorologen indes Hoffnung: Die nächsten Tage sollen Abkühlung bringen, wobei "Abkühlung" bedeutet, dass die Rekordwerte um 40 Grad vorerst nicht mehr erreicht werden. Bis zum Wochenende soll die Temperaturskala 35 Grad nicht übersteigen. Gleichzeitig steigt die Wahrscheinlichkeit von Regenfällen. Laut Wetterexperten drohen im August und September schwere Stürme und Überschwemmungen.

Ärzte warnen auch davor, dass es im Herbst zu einer Krankheitswelle kommen könnte. Durch das Einatmen des giftigen Smogs sei bei vielen Menschen die Gesundheit beeinträchtigt und die Immunität herabgesetzt. Laut Gennadi Onischtschenko, oberster Amtsarzt Russlands, könnten aufgrund der anormalen Hitze und der Verschlechterung der Trinkwasserqualität vermehrt Darminfektionen und Cholera-Fälle auftreten. (Verena Diethelm aus Moskau/DER STANDARD, Printausgabe, 11. August 2010)