Was genau Chitinozoa waren, weiß man noch immer nicht - doch konnte eine Reihe unterschiedlicher Spezies (hier im Bild Armoricochitina nigerica) identifiziert werden. Da diese Meereslebewesen über den ganzen Globus verbreitet waren, eignen sich ihre Fossilien sehr gut als Indikatoren für damalige Klimaschwankungen.

Foto: University of Leicester

Lille - Würde man in eine Zeitmaschine steigen und 450 Millionen Jahre zurück in die Spätphase des Ordoviziums reisen, fände man eine Erde vor, die einem sehr fremd vorkäme. Die Landmassen waren damals öde Wüsteneien, lediglich nahe den Küsten mit etwas Grün gesprenkelt: Die ersten einfachen Pflanzen - Moosen ähnlich - und Pilze waren bereits an Land gegangen, sämtliche Tiere hingegen lebten noch im Meer. Und die Landmassen selbst hätten aus dem Orbit betrachtet ein völlig anderes Bild abgegeben als heute: Außer der riesigen Landmasse Gondwana, die zum größten Teil auf der Südhalbkugel lag, gab es nur die drei kleinen Kontinente Laurentia, Siberia und Baltica, die sich um den Äquator gruppierten.

... aber man würde auch eine unerwartete Ähnlichkeit zur heutigen Zeit vorfinden, wie ein Forscherteam um Mark Williams and Jan Zalasiewicz von der Universität Leicester und Thijs Vandenbroucke von der Universität Lille nun herausfand. Denn klimatisch gesehen war die Erde vor 460 bis 445 Millionen Jahren der heutigen viel ähnlicher als bisher angenommen. Anders als in der langen Wärmeperiode des Erdmittelalters wies unser Planet im späten Ordovizium Klimazonen analog zu unseren heutigen auf. Unter anderem gab es damals wie heute eine Polarfront, die warme und kalte Luft- und Wassermassen dauerhaft voneinander trennte - und diese Front verschob sich offenbar mehrmals.

Uralte Eiszeit

Festgestellt wurde dies, als die Forscher die Verteilung von Chitinozoa untersuchten - Mikrofossilien, von denen man kaum mehr weiß, als dass sie von millimeterkleinen Tieren stammen, die auf dem gesamten Globus lebten. Die Verteilungsmuster gaben Hinweise auf unterschiedliche Umweltbedingungen und damit Klimazonen - und mehr noch: Die Muster entsprachen denen der aktuellen Phase der Erdgeschichte, nämlich dem Wechsel von Warm- und Kaltzeiten, sichtbar an den Verschiebungen der Polarfront Richtung Äquator bei globaler Abkühlung und wieder zurück zu den Polen bei Erwärmung. Wir leben derzeit in einer Zwischeneiszeit - und auch am Ende des Ordoviziums kam es zu einer starken Vereisung des Planeten, was zu einem massiven Artensterben führte.

Die damalige Eiszeit - eine der kältesten Perioden in den vergangenen 600 Millionen Jahren - war bislang nicht mit der atmosphärischen Kohlendioxid-Rate in Einklang zu bringen, die man für die damalige Zeit errechnet hatte. Die aktuelle Studie zeigt aber, dass diese Berechnungen nach unten korrigiert werden müssen: Statt des Zwanzigfachen des heutigen Werts dürfte er nur das Fünffache betragen haben - ansonsten hätte es gar nicht die Klimazonenaufteilung geben können, wie sie nun entdeckt wurde. Das Fünffache mag immer noch hoch klingen, doch war die Sonneneinstrahlung damals schwächer als heute, was den Effekt ausglich. (red)