Im Sommer erholen sich nicht nur Lehrer, Schüler und Skihütten-Wirte, sondern auch die Politiker. Der Ministerrat tagt nicht, das Parlament tritt nicht zusammen. Und das Sommerloch in den Redaktionen wächst schneller als das Ozonloch über Australien. In den vergangenen Jahren gab es einige Politiker, die die Nachrichtenflaute zur Profilierung nutzen wollten - mit mehr oder weniger skurrilen Ideen.

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Der Journalisten Leid ist der anderen Chance: Die zweite, dritte und vorletzte Reihe der heimischen Politik wittert die Gelegenheit, ihren Themen zur großen Karriere zu helfen.

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Eigentlich bieten die endlosen Weiten des Sommerlochs ja Gelegenheit, das Grundsätzliche zu verhandeln. Der Versuch, grundsätzliche Debatten über Demokratie, Verfassung und Gesellschaft zu entfachen, führt aber gelegentlich auch zu skurrilen Vorschlägen. derStandard.at präsentiert eine Auswahl besonders denkwürdiger Ideen der vergangenen Politsommer und belegt, dass das Sommerloch viele Gesichter hat.

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Diesen Sommer, fast zwei Jahre nach seinem Tod, diktiert wieder einmal Jörg Haider den Takt der Berichterstattung. FPK und BZÖ, sonst erbitterte Gegner im Streit um Haiders politisches Erbe, waren sich in einem Punkt sehr schnell einig: "Da handelt es sich um Sommerloch-Berichterstattung", lautete das Urteil. Und das war nicht als Kompliment gemeint.

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Doch auch ohne vermeintliche "Geheimkonten" eines toten Landesfürsten wurde das Sommerloch immer irgendwie gefüllt. Es war im späten August 1999 - Wolfgang Schüssel hatte im Nationalratswahlkampf gerade versprochen, als Dritter in Opposition zu gehen -, als ÖVP-Justizsprecherin Maria Fekter (hier auf einem Bild von 1997) mit der Forderung nach Einführung der "chemischen Kastration" für pädophile Sexualstraftäter auf Widerstand stieß. Ihrem Ruf als stramme Rechtsaußen blieb die Innenministerin später treu.

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Aber auch liberalere ÖVP-Stimmen drangen gerade im Sommer über den Wechsel: Der steirische ÖVP-Klubobmann Christopher Drexler ließ mit dem Motto "Gleich viel Recht für gleich viel Liebe" aufhorchen, als er im August 2004 für die Gleichstellung homosexueller Lebensgemeinschaften plädierte - damals noch diametral zur Bundespartei.

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Wie man heute weiß, dauerte es viele Sommer, bis schließlich am 1. Jänner 2010 die gesetzliche Möglichkeit der eingetragenen Partnerschaft für Schwule und Lesben bundesweit in Kraft trat. Weniger Glück war einer Idee beschieden, die er bereits ziemlich genau ein Jahr früher, im Hochsommer 2003, geäußert hatte. Da überraschte Drexler mit einem verkehrspolitischen Vorstoß: Tempo 160 auf Autobahnen.

Von der "Kronen Zeitung" alsbald als "Bleifußpilot" tituliert richtete Drexler dem Kleinformat aus: "Die Reaktionen der Autofahrer sind durchwegs positiv. Die meisten sind mit der Entkriminalisierung der linken Spur einverstanden."

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Auch die SPÖ ließ die Sommer nicht ohne erstaunliche Debatten verstreichen. Im August 2004 erzählte der Industrielle Hannes Androsch, dass Ex-Bundekanzler Franz Vranitzky den damaligen Parteichef Alfred Gusenbauer vom Vorsitz wegputschen und statt seiner den RTL-Chef Gerhard Zeiler installieren will. Josef Cap tat das einzig Richtige und sprach von einer "Sommerloch-Debatte".

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Noch ein Genosse sorgte in der Sommerpause 2004 für Wirbel. Gerhard Köfer, damals wie heute SPÖ-Bürgermeister der Kärntner Bezirkshauptstadt Spittal/Drau, wollte kein "Genosse" mehr sein. Er trat für eine "Modernisierung" der Anrede ein: "Genosse ist kein Grundwert der SPÖ. Dieses Wort stößt absolut auf, doch niemand will sich daran wagen, künftig darauf zu verzichten."

Zumindest mit letzterem behielt Köfer Recht: Niemand wollte sich daran wagen. Die Diskussion wurde in der SPÖ bald abgedreht - mit dem Hinweis auf Wichtigeres.

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Auch Andreas Rudas, einst erfolgloser Spin Doctor für SPÖ-Kanzler Viktor Klima im Wahlkampf 1999, wollte im Sommer einmal etwas abschaffen. Der damalige SPÖ-General Rudas beschloss 1997, die Parteibücher einzustampfen und durch "Mitgliederkarten" zu ersetzen.

"An der Schwelle zum neuen Jahrtausend" wollte Rudas damit ein Ende der Klientelpolitik symbolisieren. "Die Partei hat heute andere Aufgaben, als Wohnungen und Posten zu vergeben." 2000 wechselte Rudas in die Wirtschaft, wurde später WAZ-Manager und ist mittlerweile zur RTL Group gewechselt (auf Ruf des verhinderten SPÖ-Chefs Zeiler).

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Bereits 1997 lieferte  der damalige Sportlandesrat Gerhard Hirschmann (ÖVP) einen Klassiker der beliebtesten Sommerloch-Forderungen: die Bundesländer abschaffen. "Die Länder haben gegenüber EU und Bund kaum mehr was zu melden. Die Regionen könnten Kompetenzen zurückgewinnen. Zudem würde man viel Geld sparen, wenn es nur noch drei statt neun Länderparlamente inklusive all ihrer Beamten gäbe", wollte sich der Steirer quasi selbst wegrationalisieren.

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Hirschmanns Idee wurde seitdem immer wieder hochgekocht und variiert. Zum Beispiel statt der Abschaffung der Bundesländer die Einsparung des Bundesrats, wie sie Salzburgs Landeshauptfrau Gabi Burgstaller (SPÖ) im Sommer 2005 vorschlug. (Zwei Jahre später konnte sie sich hingegen eine Aufwertung des Bundesrates vorstellen.)

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Der Hinterbänkler Segen, der Journalisten Fluch? Eines ist das Sommerloch auf jeden Fall. Es ist da. Und wie mancher Politiker kommt es auch immer wieder zurück. (Lukas Kapeller/derStandard.at, 10.8.2010)

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