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Markus Rogan hat in Budapest drei Chancen auf Medaillen.

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Wien/Budapest - "Meinungsverschiedenheiten gehören dazu, in der Politik und natürlich auch im Sport. Ich weiß nicht, wieso man in Österreich so konfliktscheu ist" , sagt Markus Rogan. Der 28-jährige Wiener ist, und darüber gibt es keine abweichenden Meinungen, nie den Weg des geringsten Widerstandes gegangen. Insofern dürften die Spannungen zwischen ihm und seinem 21-jährigen Teamkollegen Dinko Jukic ein Glücksfall sein - für den Österreichischen Verband (OSV) und für Rogan selbst.

Das verbale Ballyhoo zwischen den beiden polarisierenden Athleten hat dem Schwimmsport in Österreich noch vor möglichen Medaillen bei der EM in Budapest Schlagzeilen gebracht. Der Stein des Anstoßes in diesem Individualsport: der Teambewerb. Rogan bezichtigte Jukic, nicht für die Staffel zur Verfügung stehen zu wollen. Jukic konterte, dass man bei Rogan nicht sicher sein könne, wann und ob er denn wieder verfrüht abreise. Wie bei der Kurzbahn-EM in Istanbul.

Kollateralschäden sind in diesem Duell keine zu erwarten. Zu clever sind beide Studenten, ihren sportlichen Anspruch darunter leiden zu lassen. "Freunde werden wir keine mehr" , sagt Rogan. "Aber wir schätzen uns als Sportler."

Dass die Leistungen im Wasser stimmen müssen, um auch am Land und also außerhalb des Sports positiv aufzufallen, weiß Rogan spätestens seit der Prügel-Affäre vor einem Jahr bei der WM in Rom. Die mediale Schelte für den einst omnipräsenten Society-Löwen, der nicht im Becken, sondern in einer Disco in Ostia aufmuckte, schmerzte mehr als die Schläge der Türsteher.

Rogans Antwort: Er tauchte unter. Die Ausbildung zum Private Banker bei Raiffeisen wurde samt Sponsorvertrag auf Eis gelegt. Er übersiedelte nach Los Angeles, begann unter Weltklassecoach Dave Salo zu trainieren. Als er fünf Monate später bei der Kurzbahn-EM in Istanbul wieder auftauchte, holte er über 200 Meter Lagen Gold.

Rogans Lebensmittelpunkt ist Los Angeles geblieben, weil es auch sein Trainingsmittelpunkt geblieben ist. "Ich habe gelernt, mich auf eine Sache zu konzentrieren. Ich hatte früher gedacht, ich könnte neben einem Job schwimmen. Aber das stimmt nicht." In den USA trainiert er mit den Weltbesten seiner Zunft, Niederlagen stehen an der Tagesordnung. Rogan: "Ich habe wieder unfassbare Lust und den unbändigen Drang, zu gewinnen."

In Budapest tritt der 28-fache Medaillengewinner in fünf Bewerben an, in drei hat er Medaillenchancen. Heute, Montag, startet er mit den Vorläufen über 100 m Rücken, da ist Rogan wie über die 200-m-Distanz Titelverteidiger. "Die 100 Meter Rücken werden das härteste Rennen für mich, weil ich immer noch nicht gut sprinten kann" , sagt er.

Das aus österreichischer Sicht interessanteste Rennen steigt am Mittwochabend, wenn, so Rogan und Dinko Jukic den Aufstieg schaffen, beide im Finale über 200 m Lagen aufeinander treffen. "Den Sieg in Istanbul habe ich noch genau vor mir, das ist die perfekte Motivation. Ich habe ein Jahr lang fast nichts anderes gemacht, als auf diese Distanz hinzutrainieren" , sagt Rogan. Über die Lagen-Strecke wäre es auch der "schönste Sieg. Weil mit Laszlo Cseh der Lokalmatador als Favorit an den Start geht. Und ich habe die Möglichkeit, ihn vor 8000 ungarischen Fans zu schlagen."

Olympia 2012

Rogan weiß, dass eine erfolgreiche EM für seine weitere sportliche Karriere unabdingbar ist. Bis zu den Olympischen Spielen 2012 in London soll der Weg für den zweifachen Silbermedaillengewinner von Athen 2004 führen, das nächste Ziel ist aber ein finanzkräftiger Sponsor. "Ich finanziere meinen USA-Aufenthalt von meinen Rücklagen, für zwei weitere Jahre reicht es nicht mehr."

Außerdem dürfte man Rogan, dem gar nicht Konfliktscheuen, bei etwaigen Erfolgen auch wieder mehr durchgehen lassen. Bei der Verabschiedung des Teams in Wien überraschte er mit der kameragerechten Verteilung von Badehosen an seine Teamkollegen. Darauf prangte der patriotisch-satirische Schriftzug: "Mia san mia, wir san stärker als die Kia, wir san höher als die Bam, weil ma Österreicher san."

Dinko Jukic schluckte, hatte von der PR-Aktion Rogans sichtlich keine Ahnung.Der Coach von Dinko Jukic, sein Vater Zeljko, schäumte. "Wann hat Rogan das letzte Mal für einen längeren Zeitraum in Österreich trainiert? Er ist kein Produkt des österreichischen Schwimmsports." (David Krutzler, DER STANDARD, Printausgabe, Montag, 9. August 2010)