Die Bank of America betreibt über Twitter einen Helpdesk.

Screenshot: derStandard.at

Als in den späten 90er-Jahren das Internetfieber auch die Banken erfasste, hofften diese, ihre Kundenbeziehungen in die virtuelle Welt transferieren und kostenintensive Filialen einsparen zu können. Die Rechnung ging nicht auf. Zum einen, weil die Skepsis der Kunden Online-Services gegenüber noch zu groß war. Zum anderen, weil Kunden Menschen sind und sich gern mit Bankfrau oder Bankmann direkt unterhalten.

Eine Dekade später hat sich das Bild gewandelt. Allein im kleinen Österreich wickeln etwa zweieinhalb Millionen Menschen ihre Bankgeschäfte online ab. Doch obwohl Banken durch das Internet das Informationsmonopol über Kapitalanlagen verloren haben, seien Filialnetze weiterhin unverzichtbar - sagt Piercarlo Gera, Bankenexperte bei Unternehmensberater Accenture. "Banken müssen dazu aber mehr wie Händler denken lernen. Denn wenn ich es nicht schaffe, in meinem Geschäft Kunden Waren anzubieten, wo sonst?"

Next Generation Bank

Doch dazu müssen die Kunden erst einmal die Filiale betreten. Wie Banken sie hereinlocken, mehr über ihre Wünsche erfahren, ihnen neue Produkte schmackhaft und sie mit technischen Spielereien an sich binden könnten, zeigt Accenture in seiner Next Generation Bank im Technology Solutions Lab in Sophia Antipolis bei Nizza.

Über einen in der Schaufensterfront eingebauten Monitor preist die Bank ihr Angebot der Woche an, zum Beispiel ein Versicherungspaket rund ums Auto. Der berührungssensible Touchscreen ermöglicht es dem Kunden, das Angebot seinen Bedürfnissen gemäß durchzurechnen.

Im Selbstbedienungsbereich identifiziert sich der Kunde am Bankomaten per Fingerabdruck oder andere biometrische Kennzeichen. Auch hier kann er auf Wunsch die Entwicklung etwa eines Kapitalsparbuchs simulieren oder sich Informationen über ein Produkt auf sein Smartphone herunterladen. Oder sich per SMS Links zu Videos oder Websites darüber schicken lassen. Dies ersetzt Papierzusendungen oder Prospekte. Zum Einsatz kommt Near Field Communication (NFC), eine Technologie, bei der Daten drahtlos mit dem Handy über kurze Distanzen übertragen werden. Sensoren registrieren über die Bankomatkarte oder das NFC-Handy, dass der Kunde die Filiale betreten hat und leiten diese Information an das iPad des Beraters weiter. Auf dem Tablet erhält dieser umgehend alle Kundendaten zur Verfügung gestellt. Gibt es Fragen, wird via Telepresence ein Experte zugezogen.

Smartphone immer dabei

Auf Tischen mit berührungsempfindlicher Oberfläche (etwa Microsofts Surface Computer) kann der Berater dem Kunden Immobilien zeigen, parallel dazu die Finanzierung simulieren oder Möglichkeiten der Altersvorsorge durchspielen.

Die Nähe zur Bank und das Vertrauen zum Berater bleiben nach Einschätzung der Accenture-Berater auch weiterhin von Bedeutung (auch wenn sich langfristig das Zweigstellennetz weiter ausdünnen wird). Wichtig dafür sei es allerdings, Filialen mithilfe neuer Technologie als Anlaufpunkt für komplexere und beratungsintensivere Produkte zu etablieren.

Parallel dazu erhöht sich aber der Druck auf Geldinstitute, mobile Applikationen zu forcieren. Denn die Digital Natives haben ihr Smartphone immer bei sich und wollen damit auch möglichst ihre Bankgeschäfte abwickeln. In der Schweiz untersuchen Accenture zufolge derzeit sieben Institute die Machbarkeit mobiler Konto- und Depotführung.

Business-Netzwerke

Die Kunden sind auch zunehmend in der Welt der sozialen Netzwerke zu Hause, ein Angelpunkt, den manche Banken bereits für sich nutzen. Die Londoner HSBC betreibt zum Beispiel auf ihrer Website ein eigenes Business-Netzwerk, in dem Kunden untereinander und mit HSBC-Experten diskutieren können. Das Kreditinstitut verspricht sich davon bessere Einsichten in die Bedürfnisse seiner Klientel. Die Bank of America nutzt den Kurznachrichtendienst Twitter (@BofA_Help), um mit Kunden zu kommunizieren. Sechs Mitarbeiter, die mit Fotos gezeigt werden, beantworten Servicefragen. Langfristig könnten damit fix installierte Callcenter eingespart werden.  (Karin Tzschentke aus Nizza, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 7./8.8.2010)