Graz - "Eine solche Aufgabe lösen zu wollen ist eigentlich wirklich verrückt", gesteht die Architektin Karla Kowalski angesichts eines spektakulären Projektes, das das Büro, Szyszkowitz-Kowalski in der Grazer Innenstadt verwirklicht. Je einen Steinwurf entfernt von Murinsel und Schlossberg entfernt, mitten in der Altstadt, steht das Haupthaus der traditionsreichen Firma Kastner & Öhler. Gegründet wurde das Kaufhaus vor über 100 Jahren, als das Wort Tiefgarage noch nicht existierte. Eine solche wird seit April des Vorjahres unter den jahrhundertealten Gebäuden zwischen der Grazer Sackstraße und dem Kaiser-Franz-Josefs-Kai errichtet. Was Kowalski als verrückt bezeichnet, würde ein Kind im Sandkasten logisch finden. Man hebt die Häuser auf, gräbt darunter ein großes Loch für Matchboxautos und setzt die Häuser wieder drauf.

27 Meter in die Tiefe graben

Wenn aber die Häuser insgesamt 7200 Tonnen wiegen und das Loch 27 Meter tief ist, kann man auch als Laie erst einmal von einer Verrücktheit sprechen. Doch die Verrücktheit ist geglückt. Die gesamte Gebäudemasse wird von 32 Säulen getragen, damit sich die Bagger in die Tiefe vorarbeiten konnten. Im 24-Stunden-Schichtbetrieb, bei dem jede Einfahrt eines Lastwagens einer strengen Dramaturgie folgen muss, werkt man auf einer verhältnismäßig engen Baustelle, ohne dabei den Verkehr am Kai erheblich zu stören.

Ungestörter Geschäftsbetrieb

Ungestört sollten auch die Geschäfte von Kastner & Öhler weitergehen. Dafür mussten Container voller Waren, die normalerweise von Lastwägen in einen Innenhof des Kaufhauses gebracht wurden, mit einem Kran über die Baustelle auf eine eigens geschaffene Plattform in den fünften Stock gehievt werden.

Kowalski und ihre Partner, der Statiker Herbert Eisner und Robert Wendl, der das Management des Projektes übernahm, sind zuversichtlich, zum geplanten Termin Anfang November die fertige Garage übergeben zu können. Dann soll man auf einer Endlosschleife zehn Etagen hinabfahren und mittels Lichtersystems einen freien Platz finden. Auf einer Spindel, die von jeder Ebene erreichbar ist und an der Oberfläche mit einem riesigen Glasauge abschließt, gelangt man ins Freie.

Licht und Transparenz Gläserne Lifte verbinden die Garage mit dem Haupt- und dem Sporthaus. Sicherheit durch Videoüberwachung, viel indirektes Licht und Transparenz stehen für Kowalski im Mittelpunkt: "Es gibt keine düsteren Ecken."

Keine öffentlichen Gelder

Für das Unternehmen ist dieser Bau, für den es keine öffentlichen Gelder gab, äußerst kostenintensiv, doch die Erreichbarkeit für motorisierte Kunden, die weniger für die Benutzung zahlen sollen als jene, die ausschließlich parken, soll sich diese Investition bezahlt machen. Angesichts der - wie zuletzt in Seiersberg - rund um Graz aus dem Boden schießenden Einkaufszentren, wird immer wieder eine Belebung der Innenstadt gefordert. Doch mit zusätzlichen 500 Stellplätzen lockt man auch mehr Autos in die vom Feinstaub extrem belastete Stadt. Dieses Argument lässt Rolf Seifert, Büroleiter von Szyszkowitz-Kowalski nicht gelten: "Laut einer ÖAMTC-Studie entsteht ein Drittel des Verkehrs am Wiener Ring durch Parkplatzsuchende." (Colette M. Schmidt, DER STANDARD Printausgabe 25.4.2003)