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Spurensuche am Bahnhof: Ein Palästinenser der "Al-Aksa-Brigaden" sprengte sich in der israelischen Stadt Kfar Saba in die Luft. Die Terrorgruppe steht Arafats Fatah-Bewegung nahe.

Foto: Reuters

Keine 15 Stunden nachdem die Entschärfung der Krise um die palästinensische Regierungsbildung vage Hoffnungen auf einen Neustart geweckt hatte, holte ein Selbstmordanschlag in der Stadt Kfar Saba nordöstlich von Tel Aviv Israelis und Palästinenser in die alte Realität zurück.

Dass der Attentäter von den "Al-Aksa-Märtyrerbrigaden" losgeschickt worden und damit zumindest indirekt der "Fatah"-Bewegung Yassir Arafats und Mahmud Abbas (Abu Mazens) zuzuzählen war, ist besonders peinlich für die beiden Männer, die jetzt nicht nur um den Platz an der Spitze raufen, sondern auch beweisen sollten, dass sie sich nach unten hin Respekt verschaffen können.

Beim Eingang zum Bahnhof von Kfar Saba hatte sich ein 18-jähriger Palästinenser aus dem bei Nablus gelegenen Flüchtlingslager Balata, das als Hochburg der Extremisten gilt, frühmorgens in die Luft gesprengt. Ein Sicherheitswächter wurde dabei getötet, sein Kollege und zwölf Passanten wurden verletzt.

"Bahn des Terrors"

Der Anschlag war freilich nicht schwer genug und kam auch zu früh, um den vielleicht anlaufenden Verhandlungsprozess schon wieder entgleisen zu lassen. Man könne den designierten Premier Abbas wohl nicht verantwortlich machen, da er ja noch nicht im Amt sei, hieß es in der israelischen Regierung, aber man werde ihn schon in den nächsten Wochen an seinen Taten messen. "Wir können nicht parallel auf zwei Bahnen operieren, einer Bahn des Terrors und einer Bahn der Verhandlungen", sagte Außenminister Silvan Shalom. "Arafat hat wieder bewiesen, dass er das Hindernis für den Frieden ist, die Entscheidung, dass Abu Mazen eine Regierung bilden kann, könnte eine positive Wende sein, wenn er durchführt, was alle erwarten - einen kompromisslosen Kampf gegen den Terror und die Abstellung der Aufwiegelung."

Die Sorge der Israelis, dass ihnen im Gegenzug schon Konzessionen abverlangt werden könnten, noch ehe der Terror aufhört, mischt sich mit ihrer Befriedigung darüber, dass Arafat beiseite geschoben wurde. Der 74-jährige, der mehr als 30 Jahre lang die palästinensische Nationalbewegung dominiert hat, hatte natürlich von vornherein überhaupt keinen Premier neben sich gewollt, und jetzt musste er sich noch dazu in der entscheidenden Streitfrage beugen: Mohammed Dahlan, der 42-jährige Wunderknabe, der gegen die Terrorgruppen antreten soll, wird jetzt doch Sicherheitsminister, und Arafat verliert seine alleinige Kontrolle über den aufgeblähten Polizeiapparat, das zentrale Machtinstrument der Autonomie.

Der "Störfaktor"

Nachgeben musste Arafat unter stärkstem Druck nicht nur aus den USA, sondern auch aus Europa und aus arabischen Staaten, auch die eigene Öffentlichkeit sieht ihn immer mehr als Störfaktor. "Es wird Zeit, dass dieser eigensüchtige Bastard verschwindet", wetterte eine palästinensische Journalistin, die verständlicherweise nicht genannt werden will, in den letzten Stunden des Wartens auf die Regierungsbildung im Hof von Arafats Hauptquartier in Ramallah.

Zumindest nach außen hin wollen Arafats alte Gefährten aber noch nicht wahrhaben, dass er nicht mehr am Rad der Geschichte drehen darf: "Abu Mazen kann vielleicht am Verhandlungstisch sitzen, oder jemand anderer, den Abu Mazen bestimmt, aber sie müssen in wichtigen Angelegenheiten bei Arafat rückfragen", meinte Nabil Shaath, der für den neu geschaffenen Posten des palästinensischen Außenministers vorgesehen ist. (DER STANDARD, Print-Ausgabe vom 25.4.2003)