Lokalaugenschein in der Justizanstalt Josefstadt: Die Absonderungszellen, in denen Jugendliche einsaßen, sind ohne Zugang zum Fenster und nur spärlich beleuchtet. Für Anstaltsleiter Peter Prechtl war die Einzelhaft für Kids ein "Zeichen" gegen Gewalt.

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Wien - Fünfzehn Türen führen auf beiden Seiten des niedrigen Ganges in die "besonders gesicherten Hafträume" im C- Trakt der Justizanstalt Josefstadt. Die Wände sind gelb bemalt, die Türen grell orange. An einigen sind Papptafeln befestigt. "Hausarrest" steht darauf, oder auch "Absonderung".

"Wer hierher kommt, hat in der Haft schwere Ordnungswidrigkeiten begangen", erläutert Anstaltsleiter Peter Prechtl vor Experten und Journalisten, die nach Berichten des STANDARD vom Justizministerium zum Lokalaugenschein geladen wurden. Ordnungswidrigkeiten wie die insgesamt drei Jugendlichen - drei, nicht zwei - die strafhalber in diesem Erwachsenentrakt einsaßen.

Sage und schreibe vier Tage lang - wie Prechtl bestätigt - starrte da etwa auf Zelle CIE 09 ein 15-Jähriger ins trübe Licht der Deckenbeleuchtung. Von seiner kargen Pritsche aus, die auf nacktem, mit schwarzer Ölfarbe bemaltem Boden steht. Ans Fenster konnte er nicht: Sie sind durch dicke, grüne Gitterstäbe vom Rest der Zellen getrennt.

24 Stunden lang saß ein 17- Jähriger in einer Räumlichkeit ein, die laut Prechtl "genauso aussieht" wie Zelle CIE 14: Auch hier schwarz bemalter Boden, doch statt des Bettes eine Matratze auf einem gemauerten Mauervorsprung.

Sowie, gleich neben der Matratze, eine ausgekachelte Vertiefung, die den von Justizminister Dieter Böhmdorfer (FPÖ) in die Diskussion eingebrachten Namen "italienisches Klo" durchaus verdient. Doch was ändert das an der Kargheit, der Furcht einflößenden Wuchtigkeit der Zellen, als deren Insassen man sich landläufige Halbwüchsige nur schwerlich vorstellen kann?

Zweimal täglich habe ein Arzt nach den Jugendlichen geschaut, betont Prechtl. "Und sonst? Was soll das bringen?", echauffiert sich die Wiener Kinder- und Jugendanwältin Monika Pinterits. "Auch der Psychologe und die Jugendpsychiaterin wurden verständigt", antwortet der Gefängnisleiter.

Später, im Gespräch mit Journalisten, sagt er dann, dass er die Jugendlichen bewusst in die Strafzellen für Erwachsenen bringen ließ. Um "unter den gewaltbereiten Häftlingen ein Zeichen zu setzen", nachdem der 15-Jährige und ein Mithäftling einen dritten "aufs Grausamste misshandelt" hätten. Seither, so Precht, sei der Gewaltpegel in den übervollen Zellen gesunken: "Das Zeichen wurde verstanden."

SPÖ gegen JGH-Ende

Die Gewaltbereitschaft im Jugendgefängnis könnte weiter steigen, befürchteten indes Experten bei der SP-Enquete über "Moderne Gerichtsbarkeit in Österreich" im Wiener Parlament. Die Auflösung des "international vorbildlichen" Wiener Jugendgerichtshofes, die kommenden Dienstag im Parlament über die Bühne gehen soll, erfolge, ohne dass andersweitig ausreichend Ressourcen existierten.

Die Wiener Jugendrichterin Beate Matschnig warnte vor den Negativfolgen einer auf Abstrafung statt "Rehabilitierung und Resozialisierung" ausgerichteten Jugendgerichtsbarkeit. Jeder Haftplatz pro Häftling koste 2200 Euro im Monat, außerdem seien "die jugendlichen Ersttäter von heute die rückfälligen Erwachsenen von morgen.

Hoffnung auf einen Stopp des Auflösungsplans kam bei der Enquete dennoch keine auf. Es sei denn, die Parlamentsparteien - insbesondere die ÖVP - hätten die Courage, "den Klubzwang in dieser Angelegenheit aufzuheben": ein Vorschlag, der von Jugendpsychiater Max Friedrich kam. (Irene Brickner/DER STANDARD, Printausgabe, 24.4.2003)