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Albert Rohan: Erfolg oder Misserfolg des Krieges wird letztlich danach zu beurteilen sein, ob der irakischen Bevölkerung in Zukunft ein besseres Leben ermöglicht werden kann.

Foto: APA/Barbara Gindl

Der kaum verhohlene Triumphalismus eines Donald Rumsfeld ist ebenso wenig angebracht wie der Meinungsumschwung einiger Kommentatoren, die noch vor kurzem die Irakpolitik der USA kritisiert haben. Wie erwartet ist es den Koalitionstruppen dank ihrer überwältigenden technischen Überlegenheit in wenigen Wochen gelungen, den militärisch schwachen Irak zu besiegen und Saddam vom Thron zu verjagen. Dieser Umstand kann jedoch nicht bedeuten, dass die Kosten an Menschenleben und sonstige "Kollateralschäden" wie der Raub des irakischen Kulturerbes nunmehr als gerechtfertigt anzusehen sind.

Erfolg oder Misserfolg des Krieges wird letztlich danach zu beurteilen sein, ob der irakischen Bevölkerung in Zukunft ein besseres Leben ermöglicht werden kann. Dies ist die wahre Herausforderung, die Probleme sind gewaltig. Vor allem müssen Sicherheit und Ordnung wiederhergestellt, das gegenwärtige Machtvakuum beendet und die Wasser-, Strom- und Nahrungsmittelversorgung gesichert werden. Neben der Beseitigung der Kriegsschäden ist die politische Erneuerung in Angriff zu nehmen.

Wie schwierig dies in einem durch tiefe ethnische, religiöse und politische Trennlinien gespaltenen Land wie dem Irak ist, konnte man bereits in den ersten Nachkriegstagen feststellen. Hand in Hand mit dem politischen muss der wirtschaftliche Wiederaufbau gehen. Hierbei gilt es eine an Dollar und Euro gebundene Währung einzuführen, die erdrückende Überschuldung des Irak durch Umschuldungen sowie einen Schuldenerlass für die aus früheren Kriegen stammenden Reparationszahlungen auf ein erträgliches Maß zu reduzieren und die Erdölproduktion in einer völkerrechtlich konformen Weise in Gang zu setzen.

"Vorbild" Afghanistan?

Wer soll die Führungsrolle bei diesen schwierigen Vorhaben übernehmen? Die von den EU-Staaten gebetsmühlenhaft wiederholte Forderung nach einer "zentralen Rolle" der Vereinten Nationen ist simplistisch und geht an der Realität vorbei. Sicherlich würde die ausländische Präsenz im Irak durch den Mantel der UNO eine größere Legitimität erhalten, und es trifft zu, dass der Sicherheitsrat bei einigen Aspekten wie Waffeninspektionen, Aufhebung der Sanktionen und Ölverkäufen ein gewichtiges Wort mitzureden hat. Es wäre jedoch naiv zu glauben, dass die USA nach ihrem kostspieligen Kriegseinsatz das Heft im Irak aus der Hand geben wird.

Auch sind wohl nur die Koalitionstruppen selbst in der Lage, die erforderlichen Sofortmaßnahmen zu ergreifen, und der als Leiter der Interimsverwaltung vorgesehene Exgeneral Jay Garner mit seiner Gruppe ehemaliger Offiziere und Diplomaten konnte sich immerhin seit Wochen auf diese Aufgabe vorbereiten. Amerikaner und Briten werden allerdings mit zunehmenden Forderungen nach Eigenverantwortung seitens der verschiedenen irakischen Gruppen konfrontiert sein und zur Kenntnis nehmen müssen, dass sie entgegen der eigenen Propaganda von der Bevölkerung nicht als Befreier, sondern als ungeliebte Besatzer angesehen werden.

In jedem Fall ist zu hoffen, dass die USA ihre Verantwortung im Irak erfolgreicher wahrnimmt als in dem nach wie vor chaotischen Afghanistan. Ebenso, dass Washington der Versuchung widersteht, nach dem siegreichen Irakfeldzug gleich das nächste Ziel anzuvisieren, nämlich Syrien. Selbst die auf Dominanz und Prävention fixierten Vordenker von G. W. Bush müssen sich bewusst sein, dass ein Angriff gegen Bashar al-Assad noch ungleich schwieriger zu argumentieren wäre als jener gegen Saddam Hussein. Der junge Präsident hat weder seine Bürger massakriert noch die Nachbarstaaten überfallen, er genießt im arabischen Raum Ansehen, und seine bescheidenen Waffensysteme sind größtenteils legitim. Sein einziger, wenngleich gewichtiger Sündenfall besteht in der fortgesetzten Unterstützung terroristischer Organisationen wie Hisbollah und Hamas. Er wäre gut beraten, sich durch einen radikalen Schnitt aus der amerikanischen Schusslinie zu nehmen und damit gleichzeitig einen wertvollen Beitrag für den Nahostfrieden zu leisten. Wenn die Drohungen der USA gegen Syrien diesem Zweck dienen, sind sie verständlich. Jede weiter gehende Aktion würde jedoch an Wahnsinn grenzen.

Das Kernproblem des Nahen Ostens, der israelisch-palästinensische Konflikt, bleibt inzwischen ungelöst, und die Erfolgschancen der zu erwarteten diplomatischen Hektik müssen realistischerweise als gering bezeichnet werden. Weder die handelnden Personen noch die in der Region vorherrschende gespannte Atmosphäre lassen dramatische Fortschritte erhoffen. Eben-

so erscheint es fraglich, ob George W. Bush im Jahr vor seiner möglichen Wiederwahl zu einem entsprechenden Engagement bereit ist. Die Spirale der Gewalt wird sich sohin leider weiterdrehen. (DER STANDARD, Printausgabe, 24.4.2003)