Die Haftbedingungen für Minderjährige haben sich nach Auflösung des Wiener Jugendgerichtshofes verschlechtert. Das sagen Jugendliche, die nun in Zellen der Justizanstalt Josefstadt untergebracht sind.

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Wien - Ob es klug war, den Wiener Jugendgerichtshof (JGH) aufzulösen und die minderjährigen Insassen in die Justizanstalt Wien-Josefstadt zu verlegen, ist unter Experten weiterhin heftig umstritten. Justizminister Dieter Böhmdorfer (FP) hat immer wieder auch damit argumentiert, dass die Haftbedingungen im JGH in Wien-Erdberg "nicht menschenrechtskonform" gewesen seien. Doch Betroffene selbst, also jugendliche Insassen, bewerten das Leben hinter den neuen Gittern als noch schlechter.

Christian Grafl und Judith Stummer vom Wiener Universitätsinstitut für Strafrecht und Kriminologie interviewten mit Erlaubnis des Justizministeriums 19 Häftlinge, die beide Gefängnisse kennen. Zehn davon waren Inländer, neun Ausländer. Der Jüngste war 15, der Älteste 19.

Dem STANDARD liegen die Ergebnisse der Befragung vor: Was bauliche Zustände und Größe der Zellen betrifft, ist die Josefstadt besser als Erdberg. Sonst hat sich für die Befragten - 14 der 19 waren U-Häftlinge, also keine verurteilten Straftäter - aber alles verschlechtert: Ihre Zellentüren sind nun länger versperrt, oft gibt es nur eine Stunde Freizeitbeschäftigung. Waren in Erdberg sechs Befragte "arbeitslos" sind es nun zwölf.

Die Mehrheit aller Häftlinge in der Justizanstalt Josefstadt sind Erwachsene, für die Jugendlichen wurde ein eigener Trakt adaptiert. Mittlerweile herrscht insgesamt bereits ein Überbelag von 30 Prozent. Die befragten Jugendlichen konstatieren ein "raueres Klima" unter Mithäftlingen. Es gebe schlechtere Vorbereitung auf die Enthaftung und geringeren Schutz vor Übergriffen. Das Josefstädter Anstaltsklima sei "rauer". Die nicht österreichischen Jugendlichen, sechs davon vom afrikanischen Kontinent, gaben an, nun mehr rassistischen Übergriffen ausgesetzt zu sein.

"Die Befragung darf nicht als repräsentativ gewertet werden", betont Judith Stummer. Dennoch müsse verstärkt darauf geachtet werden, dass die Eigenständigkeit des Jugendstrafvollzugs erhalten bleibe und keine Angleichung an Erwachsene erfolge. (Michael Simoner/DER STANDARD, Printausgabe, 23.4.2003)