Nyon - Das Festival "Visions du reel", das wichtigste Schweizer Dokumentarfilmfestival (28. 4. bis 4. 5.), zeigt bei der diesjährigen Ausgabe rund 120 Filme aus 30 Ländern. Dem erfolgreichen österreichischen Filmemacher Ulrich Seidl ist eine der zwei "Ateliers" genannten Retrospektiven gewidmet, die andere gilt dem Franzosen Denis Gheerbrant, "deren Werke das zeitgenössische kollektive Bewusstsein tiefgehend bearbeiten", wie das Festival schreibt. Eine weitere Schau stellt zudem den Westschweizer Jean-Charles Pellaud vor, der seit 30 Jahren Filme dreht.

Filme zum Krieg

Mehrere Filme beschäftigen sich dieses Jahr aus aktuellem Anlass mit dem Krieg. Der Film "Die Verdammten und die Heiligen" des Holländers Jos de Putter, der den Tschetschenien-Krieg thematisiert, wird am Montagabend zur Eröffnung gezeigt. In "War and Peace" setzt sich der indische Regisseur Anand Patwardhan mit der Aufrüstung durch seine Regierung auseinander. "For my Children" von Michal Aviad aus Israel zeigt den Alltag im Nahen Osten zwischen Gewalt und Hoffnung. Und "M.I.A. - Missing in Action" des Deutschen Johann Feindt gibt Einblick in die Arbeit der Kriegsfotografen.

Gewalt

Andere Arbeiten etwa aus Deutschland, Italien oder Algerien beschäftigen sich mit der täglichen Gewalt auf den Straßen oder zu Hause. Mehrere Filme kommen aus Argentinien, das gegenwärtig eine große wirtschaftliche und politische Krise zu bewältigen hat.

Gut vertreten ist auch dieses Jahr das Schweizer Dokumentarfilmschaffen. Im Wettbewerb wird mit "Il viaggio a Misterbianco" von Paolo Poloni, dem Reisetagebuch eines Italieners, der noch nie in Italien gelebt hat, nur ein Schweizer Film gezeigt. In anderen Festivalsektionen sind jedoch rund 20 weitere Schweizer Filme zu sehen, darunter fünf als Uraufführungen.

Bekannte Namen sind dabei etwa Richard Dindo mit "Aragon: le roman de Matisse", eine Reflexion über das Buch von Louis Aragan, Frederic Gonseth mit "Mission en enfer" über Schweizer Ärzte und Schwestern an der Ostfront 1942, oder Francis Reusser mit "Les printemps de notre vie", der darüber nachdenkt, was aus den Utopien, die vor 40 Jahren wichtig waren, geworden ist.

In der Erstlingsarbeiten vorbehaltenen Sektion "Regards Neufs" ist die Schweiz mit dem 20-minütigen "Yo no tengo miedo de nada" von Patricia Stotz vertreten. Zudem sind die Koproduktionen "Not for Sale" von Yael Bitton (USA/Schweiz) und "Tarifa Traffic" (Deutschland/Schweiz) von Joakim Demmer zu sehen.

Mit dem "Imperial Bioscope" nimmt Nyon an den Gestaden des Genfersees ein neues fahrbares Kino in Betrieb, das den stetig ansteigenden Zuschauerzahlen gerecht werden soll.(APA)