Nur wenige Tage nach dem Bruch mit Silvio Berlusconi hat sein Gegenspieler Gianfranco Fini am Mittwoch im Parlament bewusst darauf verzichtet, die Regierung bei der ersten Gelegenheit zu stürzen: Beim Misstrauensantrag gegen Justiz-Staatssekretär Giacomo Caliendo übte sie Stimmenthaltung. Die Regierung gewann die Abstimmung bei 75 Enthaltungen mit 299 zu 229 Stimmen. Dabei verfehlte sie die absolute Mehrheit um 17 Stimmen - ein Vorgeschmack auf das, was sie nach Ende der Parlamentsferien am 8. September erwartet.

Das Vertrauensvotum ging in gereiztem Klima über die Bühne. Berlusconi, der bei Betreten des Sitzungssaals mit "Silvio, Silvio!" -Rufen bejubelt wurde, würdigte den über ihm sitzenden Kammerpräsidenten Fini keines Blickes. Während der Diskussion kam es zu handgreiflichen Auseinandersetzungen zwischen zwei Abgeordneten.

Das Ergebnis der Abstimmung war vorhersehbar, nachdem sich Fini vorher mit den Christdemokraten und der katholischen Kleinpartei von Francesco Rutelli auf Stimmenthaltung geeinigt hatte. Auf vorzeitige Neuwahlen sind Fini und seine Abgeordneten noch nicht vorbereitet. Die neue Fraktion hofft im September auf Verstärkung durch mindestens zehn weitere Abgeordnete.

Die beim Vertrauensvotum begründete Aktionsgemeinschaft mit den Christdemokraten könnte dann auf fast 100 Abgeordnete bauen und Berlusconi jederzeit stürzen. Vor allem könnte sie das Föderalismus-Modell der Lega Nord kippen und damit das enge Bündnis des Premiers mit Umberto Bossi unterminieren. (Gerhard Mumelter aus Rom/DER STANDARD, Printausgabe, 5.8.2010)