Vater, Mutter, Kind. Familienbild, Öl auf Leinwand, unbekannter Künstler um 1900.

Das ist das Bild, das vielfach vom Zusammenleben der Kernfamilie gepflegt wird: Es hängt in den Arbeitszimmern vieler Politiker und etlicher Juristen. Gerne auch in katholischen Pfarrhäusern und vielfach auch in den Kleinwohnungen glücklicher Jungfamilien.

Das Bildnis erwiese sich allerdings als unverkäuflich, wenn es darauf ankäme: Mit diesem Familienbild kommt man in den Fällen nicht weiter, wo die Familie zerfällt. Oder wo sie erst gar nicht entsteht.

Man hat sich da in den letzten Jahren damit beholfen, dass man an den alten Grundsatz angeknüpft hat, dass die Kinder zur Mutter gehören (dass dahinter steht, dass man sich die Mutter an den Herd wünscht, ist nicht so deutlich dazugesagt worden). Und dass der Vater als der wirtschaftlich Stärkere die Pflicht zu zahlen hat. Man weiß: Nicht alle Väter kommen dieser Pflicht nach. Es hat sich auch herumgesprochen, dass es viele Mütter gibt, denen das bei ihnen verbliebene Kind als das einzig Wertvolle an der Erinnerung an den inzwischen fremd und oft gleichgültig gewordenen Kindesvater erscheint.

Familienrichter und Sozialbehörden, die das Jahrhundertwende-Familienbild aus den Amtsstuben und den Köpfen verbannt haben, haben in den vergangenen Jahren ein ausgleichendes, aber deswegen nicht gerechteres Familienbild entwickelt: Sie haben - mit politischer und gesetzlicher Unterstützung - die Rolle der Mutter so stark gemacht, wie sie jetzt ist. Im Zweifel kriegt sie das Kind und das Obsorgerecht.

In solchen Fällen wird das Kind zum Pfand. Für die Väter, gerade für jene, denen das Kind mehr als eine lästige Zahlungsverpflichtung ist, ist diese Entwicklung schlimm: Sie fühlen sich ausgeschlossen aus der eigenen Familie.

Das deutsche Verfassungsgericht hat am Dienstag erkannt, dass das auch nicht der Weisheit letzter Schluss sein kann. Es hat für verfassungswidrig erklärt, dass einer ledigen Mutter alle Sorgerechte zugestanden werden. Da waren die Rechte der Mutter nämlich offenbar zu sehr gestärkt worden - nachdem jahrhundertelang ledigen Müttern (unter moralischer Missbilligung ihrer Lage) kaum zugetraut wurde, für ein Kind zu sorgen, war das Pendel zuletzt zu stark zugunsten der Mütter ausgeschlagen.

Offenbar ist es nicht nur für die jeweiligen Eltern, sondern auch für die Juristen schwierig, die richtige Balance der Interessen zu finden. In Deutschland haben es nun die Verfassungsrichter versucht, in Österreich versucht es seit geraumer Zeit das Justizministerium. Wobei sich mehr und mehr die Erkenntnis durchsetzt, dass es nicht so sehr um die Interessen der durch Trennung und Streit ohnehin schwer belasteten Eltern geht, sondern um das Wohl des Kindes.

Das Kind soll die Belastung nicht auch noch aufgebürdet bekommen. Es soll beide Eltern haben - auch wenn kein Gericht diese Eltern zwingen kann und soll, miteinander versöhnt zu sein. Unter vernünftigen, emotional ausgeglichenen Erwachsenen hat das bisher auch ohne rechtliche Hilfestellung halbwegs funktioniert. Dazu, dass es auch in emotional schwierigen und entsprechend wenig vernunftgeleiteten Familienbruchstücken funktioniert - dazu muss ein rechtliches Umfeld beitragen, das die Interessen aller, die auf dem Familienbild dargestellt sind, berücksichtigt.(Conrad Seidl, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 4.08.2010)