Bis 1945 war die Royal Society ein Männerklub. Nobelpreisträgerin Dorothy Hodgkin wurde als dritte Frau aufgenommen.

Foto: M. Walter / Troika

Der verschärfte Sparkurs der konservativ-liberalen britischen Regierung macht vor der Wissenschaft nicht halt. Forschungseinrichtungen müssen sich auf Budgetkürzungen bis zu 25 Prozent gefasst machen. Kaum ein Tag vergeht, ohne dass Forschungsorganisationen den Verlust der britischen Wettbewerbsfähigkeit beklagen.

"Hört auf zu jammern!", fordert David Sweeney seine Kollegen auf. Übertriebene Klagen brächten nur die Öffentlichkeit gegen die Wissenschaft auf. Dieser sei es nämlich mindestens die letzten 13 Jahre unter Labour sehr gut gegangen. Zumindest aus österreichischer Perspektive sind es überraschende Worte von einem Mann, der als Forschungsdirektor des Rats für Hochschulfinanzierung in England an einer der Schaltstellen der Wissenschaftslobby sitzt.

Ungewöhnlich muss auch der Ort erscheinen, den sich Sweeney für seine Suada ausgesucht hat, nämlich eine Tagung über "Die Giganten von morgen" im Rahmen der 350-Jahr-Feiern der Royal Society.

Die weltweit älteste Wissenschaftsakademie ist indessen keine PR-Maschine. Seit langem stimmt die Royal Society Wissenschafter darauf ein, dass sich auch neugiergetriebene Forschung gegenüber der Gesellschaft zu rechtfertigen hat. Im Gespräch mit dem Standard wies Präsident Martin Rees darauf hin, dass manche US-Universitäten allein mehr einsparen müssen als alle englischen Hochschulen zusammen.

Zehn Köpfe auf Briefmarken

Nun lässt sich einwenden, dass Lord Rees leicht reden hat. Die Royal Society hat bisher keine Kürzungen hinnehmen müssen. Überhaupt ist die Jubilarin derzeit Everybody's Darling: Die BBC widmet der Akademie heuer eine Reihe von Dokumentationen, die Royal Mail eine Serie von immerhin zehn Forscherköpfen auf Briefmarken.

Gerade hat die in Würde gealterte, aber auf der Höhe der Zeit gebliebene Gesellschaft in einem Anwesen im Buckinghamshire ein modernes Tagungszentrum eröffnet - ermöglicht durch eine Fünfzig-Millionen-Pfund-Spende der kalifornischen Kavli Foundation.

Sommerliche Wissenschaftsausstellungen - eine solche war gerade im Southbank Centre zu sehen - veranstaltet die Royal Society bereits seit Ende des 18. Jahrhunderts. Ihr damaliger Präsident, der Botaniker Joseph Banks, lud das geneigte Publikum allerdings noch in seinen privaten Garten.

Trotz ihres herrschaftlichen Namens bekam die Royal Society ihre erste öffentliche Subvention in Höhe von 1000 Pfund erst 1851. Vorher war sie für den Unterhalt ihrer Klubräume und ihrer Publikationen auf vermögende Mitglieder angewiesen. Die Wissenschafter selbst waren lange Zeit Amateure, bis es in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts möglich wurde, mit Forschung den Lebensunterhalt zu bestreiten.

Ab 1645 trafen sich Londoner Gentlemen regelmäßig zu gepflegten Gesprächen über Phänomene der Natur. Als Gründungsjahr gilt heute 1660, als sie ihre Zusammenkünfte durch Statuten formalisierten. Die Mitglieder einte leidenschaftliche Neugier und der Konsens, dass Wissen über die Natur auf Beobachtung und Experiment beruht und nicht auf Autorität. Bereits im zweiten Jahr ihres Bestehens wurde die gelehrte Gesellschaft von Charles II. zur Royal Society erhoben.

Das wissenschaftshistorisch vielleicht wichtigste Datum ist 1665. Mit dem erstmaligen Erscheinen der Philosophical Transactions schlug die Geburtsstunde der modernen wissenschaftlichen Fachpublikation: Nicht Redakteure, sondern Kollegen entscheiden, was zur Mitteilung für die wissenschaftliche Gemeinschaft taugt.

Isaac Newton, der 1672 Mitglied wurde, konnte der "peer review", also der Beurteilung durch Kollegen vor der Publikation, zunächst wenig abgewinnen. Diskussionen raubten ihm nur die Zeit, neue Entdeckungen zu machen. Zudem stellte sich sein Rivale Robert Hooke der Herausgabe der Principia Mathematica durch die Royal Society in den Weg. Dennoch ließ sich Newton 1703 zu ihrem Präsidenten wählen.

Unter sechs Prozent Frauen

Jedes Jahr wählt die Gelehrtengesellschaft 44 Fellows, derzeit sind es 1361 in Großbritannien und 143 international, darunter 76 Nobelpreisträger. Obwohl Fellows nicht honoriert werden, kommt es laut Sprecherin Alice Henchley so gut wie nie vor, dass ein Forscher ablehnt.

Der Frauenanteil unter den Fellows liegt übrigens unter sechs Prozent. Bis 1945 die Biochemikerin Marjorie Stevenson und die Kristallografin Kathleen Lonsdale aufgenommen wurden, war es ein exklusiver Männerverein. (Stefan Löffler aus London/DER STANDARD, Printausgabe, 04.08.2010)