Tommaso (Riccardo Scamarcio) mit Bande.

Foto: Polyfilm

Wien - Geheimnisse gibt es in jeder Familie. Die Cantones, ein vielköpfiger Clan mit eigener Pasta-Fabrik aus Lecce in Apulien, haben es bisher so gehalten, mit diesen äußerst diskret umzugehen. Die große Liebe der Großmutter (Ilaria Occhini) war etwa nicht ihr Ehemann, sondern dessen Bruder. Wenn sie zu Beginn von Männer al dente (im Original weniger blöde Mine vaganti, dt. in etwa loses Geschütz) im Hochzeitskleid auf ein heimliches Rendezvous eilt, dann ist das eine zartbittere Erinnerung, die sie bis ins Alter im Herzen bewahrt hat.

Der aus der Türkei stammende Regisseur Ferzan Ozpetek, seit seinem Debüt Hamam ein Verfechter der wohltemperierten italienischen Komödie, interessiert sich aber mehr für die Eigenheiten der jüngsten Generation, die nicht mehr willens ist, ihre innersten Wünsche nur in der Fantasie auszuleben. Sohn Tommaso (Riccardo Scamarcio, Jungstar des Italo-Kinos) hat in Rom Literatur studiert und ist mit dem Plan nach Hause gekommen, am Familientisch eine Bombe zu zünden: Er möchte seine Homosexualität outen, weil er überzeugt ist, dass er dafür im konservativen Familienkreis kein Verständnis findet. Dann wäre er endlich frei.

Doch eine Volte lässt das Geschehen ins Chaotische hinüberkippen, Antonio (Alessandro Preziosi), der Vorzeigesohn der Cantones, kommt Tommaso mit seinem Outing zuvor. Der cholerische Patriarch verbannt ihn, dann kippt er vom Stuhl und erleidet einen Herzinfarkt. Daraus entsteht die Grundlage für eine komödiantische Situation, in der der Schein vorerst über die Tatsachen Oberhand behält - der Vater muss zwecks Genesung geschont werden, Tommaso das Firmengeschick übernehmen.

Männer al dente operiert dabei einerseits mit den Mitteln klassischer Typenkomik - von der mit dem Dienstpersonal keifenden Mutter bis zur sanft liederlichen Tante -, er lässt aber auch Freiräume, welche die Zuschreibungen der Figuren offener halten. Tommaso darf sich etwa einen Flirt mit Alba (Nicole Grimaldo) leisten, der Tochter eines Geschäftspartners. Sie steht auf vergleichbare Weise außerhalb der Gemeinschaft wie er, zeigt dies aber ungleich impulsiver auf.

Ozpetek präferiert insgesamt einen versöhnlichen Tonfall, der den Alten ihre Bestimmtheit und den Jüngeren ihre Nonchalance lässt. An dem Familienkonflikt droht keiner ernsthaft Schaden zu nehmen. Das lässt den Film, in dem die Menschen in den Kreisbewegungen der Kamera immer gut aufgehoben sind, mitunter ein wenig unentschieden wirken. Zumindest die Zeit der lebenslangen Geheimnisse ist am Ende endgültig vorbei. (Dominik Kamalzadeh, DER STANDARD/Printausgabe, 04.08.2010)