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Von den 1200 Gastarbeiterkindern, die illegal im Land sind, müssen 400 gehen.

Foto: AP Photo/Ariel Schalit

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Gastarbeiter und ihre Kinder verfolgten am Sonntag in Tel Aviv die Entscheidung der Regierung.

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400 Kinder mehr oder weniger. Darüber diskutiert Israel derzeit. Genauer gesagt darüber, ob Kinder von Gastarbeitern, die illegal im Land sind, bleiben dürfen. Am Wochenende hat die Regierung eine Lösung beschlossen: Gastarbeiterkinder, deren Eltern zwar legal eingereist sind - die Dauer ihrer Aufenthaltserlaubnis aber überschritten haben - dürfen in Israel bleiben. Insgesamt waren 1200 Kinder von der Abschiebung bedroht, 800 erfüllen die Bleibe-Kriterien. Ihre Eltern und Geschwister bekommen ebenfalls eine vorübergehende Aufenthaltsgenehmigung. Die übrigen 400 sollen mit ihrer Familie innerhalb eines Monats das Land verlassen.

Israelisches Selbstverständnis

Das Thema ist sensibel für Israel, dessen Selbstverständnis sich zwischen jüdischer Zufluchtstätte und jüdischem, demokratischen Land bewegt. Die Entscheidung der Regierung wird von zwei Seiten kritisiert. Während die eine Seite für den Verbleib der 400 Kinder plädiert, befürchten die anderen mit der Entscheidung einen Präzedenzfall geschaffen zu haben, der mehr Gastarbeiter ermutigt ins Land zu kommen, was wiederum den "jüdischen Charakter" Israels gefährden würde.

„Es ist eine no-win Situation", sagt der Historiker Tom Segev gegenüber der New York Times. „Wie auch immer man es macht, es ist falsch." Segev bezeichnet die Entscheidung der Regierung als „humanitäre Entscheidung", aber trotzdem: „Wir sind eine Nation von Flüchtlingen. Jetzt müssen wir uns für die 400 einsetzen."

Zu liberal oder zu wenig liberal

Die Entscheidung der Regierung war knapp. Erst beim zweiten Durchgang wurde der Vorschlag mit 13 zu 10 Stimmen angenommen. Die Gegner der Entscheidung teilen sich in zwei Lager. Für ultra-orthodoxe Shas-Partei, die mit Eli Jischai den Innenminister stellt, ist die Entscheidung über die Aufnahme der 800 Kinder zu liberal. Mitglieder der konservativen Likud-Partei ist sie nicht liberal genug.
Premierminister Benjamin Netanyahu sagte nach der Entscheidung, er habe Mitgefühl für die Kinder, aber „auf der anderen Seite gibt es auch zionistische Überlegungen und der jüdische Charakter des Staates Israel müsse gesichert bleiben. Das Problem ist, dass diese beiden Komponenten aufeinander prallen."

Insgesamt gibt es, je nach Schätzung, zwischen 250.000 oder 300.000 Gastarbeiter in Israel. Nur die Hälfte hat eine gültige Aufenthaltsgenehmigung. Israel begann vor wenigen Jahren Gastarbeiter ins Land zu holen. Sie sollten die palästinensischen Arbeiter aus den Gazastreifen oder der Westbank ersetzen. Viele sind nach Ablauf der Aufenthaltsgenehmigung geblieben. 

"Seid ihr verrückt geworden?"

Die israelischen Medien fordern mehrheitlich das Bleiberecht für die 400 Kinder. In seiner Kolumne in der Yediot Aharonot am Montag schreibt Eitan Haber: „Irgendjemand hat hier die Orientierung verloren. Der Staat Israel hat Nuklearreaktoren zerbombt, Milliarden für eine Eisenbahn ausgegeben, die nicht funktioniert und jahrelang Millionen Schekel an Leute bezahlt, die nicht den kleinsten Tropfen Schweiß für den Staat Israel verloren haben. Und jetzt sollen 400 Kinder diesen Staat umbringen? Seid ihr verrückt geworden?"
Es gibt aber auch andere Stimmen. Ben-Dror Yemeni, Kolumnist bei Maariv: „Dem Bericht an die Regierung zufolge gibt es 148.000 illegale Einwohner. Nach der Logik der Regierungsentscheidung, sollten sie einfach Kinder bekommen - das wäre ihre Versicherung." (mka, derStandard.at, 3.8.2010)