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Foto: REUTERS/Yuri Maltsev

Die Transformation unserer Konsum- und Wegwerf-Gesellschaft zu einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft ist nicht drängend, sie ist überfällig. Die daraus wurzelnden Probleme, die sozialen und ökologischen Probleme und Langzeitschäden gewinnen jährlich an Dramatik. Das Wegschauen muss ein Ende finden, das Reden muss durch rasches und sogleich faires Handeln ersetzt werden.

Mit dem Konzept der Ökoeffektivität (Cradle to Cradle®) trifft der deutsche Chemiker Dr. Michael Braungart augenscheinlich einen Nerv der Zeit. Denn: Müll ist allgegenwärtig und die Mengen wuchsen in den letzten Jahrzehnten ähnlich dem Wirtschaftswachstum.

Gerade in Zeiten steigender Rohstoffpreise setzt sich verstärkt die Erkenntnis durch, dass Müll eben nicht nur Müll ist. "Abfälle sind Rohstoffe am falschen Ort" - das hatte man schon vor einigen Jahren erkannt und das System des Trennens, Sammelns und Wiederverwertens sukzessive ausgebaut. Wir sind an einem Punkt angekommen, wo sich selbst der Abbau von alten Mülldeponien - ökologisch und ökonomisch - lohnen kann. Denn die vergrabenen Altstoffe beinhalten unter anderem wertvolle Metalle, die dringend gebraucht werden. Zeitgerechtes Recycling spart den Volkswirtschaften Milliarden und reduziert dabei die Belastungen für die Umwelt. Mit der Sichtachse der Ökobilanz von Produkten - von der Wiege bis zur Bahre - gewinnt der verantwortungsvolle Umgang mit unseren Abfällen weiter an Bedeutung.

Doch nicht nur Klimaschutz und Umweltbewusstsein sind Treiber der Entwicklung. Die radikale Verknappung der Primärstoffe (bzw. die stark steigende Nachfrage durch Wachstumsmärkte wie China) macht den vermeintlichen Abfall zum großen Geschäft. In vielen Bereichen liegt der Abschlag zwischen Primärstoff und Recycling-Material gerade noch bei 10 bis 20 Prozent. Die Branche boomt und so erzielt man in Deutschland für die Tonne Recycling-Kunststoff (je nach Qualität) bereits 300 bis 400 Euro.

Doch trotz der Fortschritte durch eine wachsende Anzahl von Abfall-Verordnungen und Anreiz-Systemen hinterlassen wir tagtäglich viele Millionen Tonnen unwiederbringlichen Müll. Und auch jene Anteile die in den Recycling-Prozess eingeführt werden, werden nach dem dominierenden Downcycling als mindere Stoffe weiterverarbeitet bzw. werden zur Energiegewinnung verbrannt.

Den Vorwurf, dass Braungarts Konzept zwar nett klänge, es aber keine Chance auf eine breite Umsetzung habe, wird die Zeit beantworten. Er trifft mit seinem System der Zertifizierung aber ein großes Bedürfnis der Wirtschaft. Ein rasches Hervorheben von der Konkurrenz, ein grüner Anstrich mit Hilfe eines Labels, das durch den Zertifizierungsprozess mehr als nur "green-washing" versichert. Diese Glaubwürdigkeit ist das Kapital des Konzeptes, die Etablierung eines neuen Standards in unserer Konsumgesellschaft ein kluger Schachzug. Denn was schon bei Lebensmittel klappt, kann nun auf komplexere Produkte übertragen werden.

Cradle to Cradle® hat somit die Chance das Bio/Fair Trade Label der technischen Industrie zu werden. Skepsis wird dem Cradle to Cradle® Konzept vor allen im Bezug auf die Mengenfrage entgegen gebracht. Denn selbst wenn wir die Wirtschaft so umgestalten, dass die Rohstoffe in technischen Kreisläufen nicht mehr verbraucht werden, so bleibt der Bedarf an den Primärstoffen ungebrochen hoch - und wächst mit dem Aufschwung der Dritte-Welt-Länder. Produzierende Konzerne können dem Konzept natürlich viel abgewinnen - denn der Ausblick, mit technischer Innovation alle Probleme zu lösen, ohne gleichzeitig etwas am Wachstums-Dogma zu ändern, lässt sich gut in die Strategieplanung einbringen.

Man dürfe nicht weiter die falschen Dinge besser machen, sondern müsse endlich die richtigen Dinge tun - das wiederholt Braungart in seinen Vorträgen gerne. Durch konsequentes Redesign der Prozesse und Produkte müsse man eben nicht mehr sparen und verzichten. Und gerade das wird von anderen stark bezweifelt. Es sei wohl unmöglich, die Stoffkreisläufe der menschlichen Wirtschaft ohne Massen- und Energieverluste zu schließen und in die stofflichen Umsätze der Natur einzugliedern, ohne diese dabei zu schädigen.

Ohne Zweifel zeichnet Braungart mit der Perspektive, vom "Verbraucher" zum "Gebraucher" zu werden, ein schönes Bild der Zukunft, das man gerne umgesetzt haben möchte.