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Böse Zungen bezeichnen den Lobbyismus als fünfte Gewalt im Staat. Die Lobbyisten selbst sehen sich als Berater der Wirtschaft über die Politik.

Foto: Cremer, Reuters/Montage: Beigelbeck

Wien - Der Lobbyismus scheint in Österreich der kleine Bruder der Freunderlwirtschaft zu sein, zumindest hängt dieses Image der beruflichen Interessenvertretung an - wenn nicht sogar das Bild des "Leute-Schmierens" in den Köpfen auftaucht.

"Es ist ein Drama" , seufzt Wolfgang Rosam von Rosam Change Communications. Irgendwann sei das Ganze eskaliert, mit dem Verkauf der Abfangjäger, mit Leuten wie Frau Rumpold und anderen dubiosen Beratern. Sie hätten Honorare in der zehnfachen Höhe kassiert und die Branche damit in Verruf gebracht. Einzelpersonen, die mit ihren Kontakten das schnelle Geld machen wollten. "Was da abgeht, geht auf keine Kuhhaut mehr" , ärgert sich der Lobbyist, "die seriösen Berater müssen sich dagegen wehren, indem sie klare Regeln aufstellen."

Unklarer Grenzverlauf

Unklar ist aber schon der Grenzverlauf zwischen Lobbyismus, Public Relations, Political Affairs und Politikberatung. Vieles vermischt sich in Österreich in den Agenturen. "Ich helfe Firmen, wenn sie etwas von der Politik brauchen" , definiert Karl Krammer seine Rolle als Berater für Politik. "Damit meine ich die Politik als Institution, nicht die Parteipolitik." Den Titel Lobbyist hat er abgelegt, zu schlecht sei das Image, zumindest in Österreich. In den USA würde er ihn wiederum zweifelsohne verwenden. Geht Politikberatung ins System hinein, indem etwa ein Politiker gezielt mit Informationen versorgt und vor Entscheidungen beraten wird, werden beim Lobbying primär Verbände oder Unternehmen vertreten, mit dem Ziel, ihre Anliegen den Entscheidungsträgern vor Gesetzgebungen nahezulegen. Man spricht auch von Einflussnahme, ganz offiziell.

Der politische Interessensausgleich wird in Österreich auf Ebene der Sozialpartner geleistet:Arbeiter- , Wirtschafts- und Landwirtschaftskammern sind dafür vorgesehen. Mit dem EU-Beitritt und zunehmender Liberalisierung wurden auch die Interessen komplexer und individueller: "Die Kammern vertreten horizontale Gesamtinteressen - nicht aber die des Einzelnen" , erklärt der EU-Lobbyist Martin Säckl. Nur 20 bis 25 Prozent der Gesetze würden in Österreich entschieden. Säckl kann den Wunsch österreichischer Unternehmen verstehen, die Gesetzgebung in Brüssel beeinflussen zu wollen.

Begehrt sind also Personen, die Erfahrung aus Brüssel oder dem Ursprungsland des Lobbying, den USA, mitbringen. Im besten Fall haben sie eine politische Vergangenheit als Staatssekretäre und waren journalistisch tätig. Sind nur Kontakte wichtig? Dem widerspricht Rosam:"Kontakte sind zwar wichtig, aber zweitrangig." Es gehe dabei eher um die Fähigkeit, Texte knackig aufbereiten zu können. Österreich habe eben genau das Problem, dass Lobbying mit Kontakten und Haberei verbunden sei. "Ein grenzenloses Verschwimmen von Ex-Politikern und PR-Leuten" , wie Rosam sagt.

Wenig Transparenz

Das andere Problem, das Lobbying in Österreich hat, ist der Mangel an klaren Regeln - und somit an Transparenz. Austrian Lobbying & Public Affairs Council (Alpac) und Public Affairs Society Austria (Pasa) haben Verhaltensregeln definiert, die allerdings auf Freiwilligkeit basieren. Ob der Beratereinsatz von Ex-Kanzler Alfred Gusenbauer (SPÖ) bei der Hypo Alpe Adria mit diesen Regeln ethisch vereinbar ist, darüber will keiner der Politikstrategen ein Urteil fällen. Lothar Lockl, der nach seiner jahrelangen Aktivität als Bundesparteisekretär der Grünen nun selbst eine Strategie- und Kommunikationsberatung führt, findet grundsätzlich nichts Verwerfliches daran, wenn ein Politiker beratend in die Privatwirschaft geht: "Wir wollen gute Politiker, und die brauchen Perspektiven nach dem politischen Leben, aber mit klaren Regeln." (Julia Herrnböck, DER STANDARD; Print-Ausgabe, 31.7./1.8.2010)