Seit Ausbruch der großen Finanzkrise standen Regierungen und Aufsichtsbehörden in aller Welt vor einem Dilemma: Wie kann man die Banken an eine kürzere Leine nehmen und zukünftige Krisen vermeiden, ohne die Kreditvergabe und damit das Wirtschaftswachstum abzuwürgen?

Die Hauptlast haben dabei die Notenbanken zu tragen, die im Baseler Ausschuss die weltweiten Auflagen für Kreditinstitute beschließen. Denn der beste Weg, um Banken vor einem Kollaps zu schützen, der sie wieder von Staatshilfe abhängig macht, ist es, sie zur Bildung ausreichender Reserven zu zwingen.
Seit Jahrzehnten wird bereits an entsprechenden Vorschriften für das Eigenkapital der Banken gefeilt, die in aller Welt gleich sein sollten, um Wettbewerbsverzerrungen zwischen den großen Finanzplätzen zu vermeiden. Nachdem sich das „Basel II"-Regelwerk in der Krise als mangelhaft erwiesen hat, soll „Basel III" die Finanzwelt endlich krisenresistent machen.

Die Arbeit in Basel wird durch heftige Lobbytätigkeit der Banken erschwert. Diese wehren sich gegen allzu strenge Auflagen, die ihre Gewinne schmälern könnten, und warnten nach Veröffentlichung der ersten Basel-III-Pläne vor massivem Schaden für die Wirtschaft.
Dazu kommt das Tauziehen zwischen Staaten, deren Banken sich aus historischen Gründen unterschiedlich finanzieren - und deshalb von manchen Detailvorschriften besonders hart getroffen werden. Aber je mehr in Basel auf all die Bedenken Rücksicht genommen wird, desto weniger effektiv wird der Krisenschutz.

Die Teil-Einigung vom Montagabend ist sicherlich keine volle Kapitulation vor der Bankenlobby. Die Notenbanken sind der Industrie vor allem beim Zeitplan entgegengekommen und haben die Einführung vieler neuer Auflagen verschoben. Das schadet nicht, denn mit einer Rückkehr des „irrationalen Überschwangs" (Ex-Fed-Chef Alan Greenspan) ist in den kommenden Jahren noch nicht zu rechnen. Und wenn den Banken mehr Zeit gegeben wird, um ihre Kapitalpolster aufzufüllen, dann können sie in der Zwischenzeit zur Belebung der Konjunktur beitragen.
Es mag auch sinnvoll sein, neue, innovative Regeln für die Verschuldung und Liquiditätshaltung erst einmal in der Praxis auf Tauglichkeit zu überprüfen. Die einst hoch gelobte Risikogewichtung der Bankkredite unter Basel II hat etwa desaströse Folgen gehabt, mit denen anfangs niemand gerechnet hat. Basel III wird nicht auf einen Schlag eingeführt, sondern erst nach und nach entstehen. Das konterkariert nicht seinen Zweck.

Aber da die wichtigsten Entscheidungen über zukünftige Mindesteigenkapitalquoten auf September verschoben wurden, bleibt die Gefahr bestehen, dass die Banken mit ihrer Panikmache doch noch Erfolg haben und die Regeln im Interesse der Konjunkturankurbelung verwässert werden. Und so manche Regierungen könnten dies zulassen, weil sie dann bei den Bankenabgaben umso kräftiger zugreifen können.

Dies wäre ein ganz schlechter Deal. Die wichtigste Lehre aus der Krise müsste sein, dass die Kapitalausstattung der Banken langfristig der entscheidende Faktor für Wachstum und Wohlstand ist. Man kann ruhig einige Jahre warten, aber früher oder später müssen die Banken in ein engeres Korsett als bisher geschnürt werden. Je lauter die Banker am Ende jubeln, desto besorgter sollten alle anderen sein. (Eric Frey, DER STANDARD; Print-Ausgabe, 28.7.2010)