Im Tierschützer-Prozess gebe es nach fünf Monaten noch immer keine Beweise für Straftaten der Beschuldigten und auch keine Indizien für die Bildung einer kriminellen Organisation. Diese Zwischenbilanz zogen die Anwälte von elf der 13 nach dem sogenannten Mafia-Paragrafen 278a Angeklagten bei einer Pressekonferenz am Dienstag in Wien. Auch das - gegen den Erstangeklagten, VGT-Obmann Martin Balluch, sprechende - linguistische Gutachten sei in der Vorwoche widerlegt werden.

Das Verfahren am Landesgericht Wiener Neustadt geht im August in die Sommerpause, ehe im September wieder ein Dutzend Prozesstage ausgeschrieben sind. Ein Ende sei nicht abzusehen, mit einem Ersturteil sei nicht vor 2011 zu rechnen, meinten die Verteidiger. Bisher wurden 65 von 120 Zeugen der Anklage befragt. Von der Verteidigung nominierte Zeugen seien noch gar nicht geladen und auch 85 gestellte Anträge noch nicht entschieden.

Der Paragraf 278a sei in dieser Art nicht auf die Tierschützer anzuwenden. Anwältin Alexia Stuefer zufolge hätten 38 Verhandlungstage ergeben, dass keine kriminelle Organisation - lt. Gesetz mafiaähnliche Verbindungen, arbeitsteiliges Vorgehen, Bestechungen usw. - vorliege und auch die Verantwortlichen für diverse Sachschäden nicht gefunden worden seien. Trotz aufwendigster Ermittlungen u.a. mit Peilsendern und wochenlangem Lauschangriff sei nichts Konspiratives entdeckt worden, sagte die Anwältin.

Über die Ergebnisse verdeckter Ermittlungen finde sich kein einziger Zettel im Akt, weil sie, wie eine Soko-Beamtin vor Gericht aussagte, keine relevanten Resultate gebracht hätten, meinte Anwalt Stefan Traxler. Überall ernte er Kopfschütteln über diesen Prozess, leider sei das Thema aber medial eingeschlafen. In 14 Jahren anwaltlicher Tätigkeit sei er noch in keinem Verfahren so oft von einer Richterin unterbrochen - und so viele Fragen, Schriftstücke und Videobeweise nicht zugelassen worden.

"Schachtel bunter Puzzlesteine"

Für Anwalt Josef Philip Bischof ist "klar", dass den Beschuldigten keine Sachbeschädigungen nachgewiesen wurden und auch werden. Der für ein Strafverfahren "unübliche" Output: Die Angeklagten würden leidenschaftlich für den Tierschutz kämpfen. Tagelang würden legale Demos thematisiert, hingegen gebe es keinerlei Erkenntnisse, welche kriminelle Organisation überhaupt am Werk gewesen sein soll.

Das linguistische Gutachten, das ihm Bekennerschreiben zuordnete, sei durch den mit ihm verfeindeten Zeugen selbst widerlegt worden, meinte Balluch: Der frühere, dann fristlos entlassene Obmann des Vereins gegen Tierfabriken (VgT) gab in der Vorwoche an, er habe einen Brief und ein Flugblatt verfasst. Auch dessen Angaben, ihn am Vorabend eines Brandanschlags auf eine Hühnermastfabrik im Bezirk St. Pölten in der Nähe abgesetzt zu haben, stellten sich laut Balluch u.a. durch diverse Rechnungen als haltlos heraus.

Eine Angeklagte verglich das Verfahren mit einer "Schachtel bunter Puzzlesteine, die von der Soko durchgeschüttelt wurden". Das Ganze sei aber sehr ernst: "13 Existenzen stehen am Spiel, wir sind von Gefängnis bedroht, und der finanzielle Ruin ist uns sicher." Übereinstimmend meinten drei Beschuldigte, ihre einzige Chance sich zu verteidigen wäre ihr Fragerecht, das ihnen jedoch immer wieder mit der Begründung "nicht relevant" entzogen werde.

Vonseiten des Gerichts gab es aufgrund des laufenden Verfahrens am Dienstag keine Stellungnahmen. Hingegen sprach der von Balluch angesprochene Zeuge Franz-Joseph Plank, Tierarzt und nunmehr Obmann von "Animal Spirit", von einem "absurden Verleumdungs-Rundumschlag des Hauptangeklagten". Dieser bediene sich diverser Pseudonyme, um auf Web-Seiten über den laufenden Prozess zu berichten, wobei Belastungszeugen und Gutachter verleumdet würden. Zur Pressekonferenz hieß es in der Aussendung weiter: "So ist es natürlich absolut kein Beweis, daß das Bekennerschreiben zur Nerzbefreiung im Juli 1997, das teilweise vom damaligen offiziellen VgT-Flugblatt bzw. einem Brief abgeschrieben worden ist, nicht vom Hauptangeklagten stammen kann, nur weil dieses offizielle Flugblatt damals von mir verfasst wurde und welches jeder kopieren konnte." (APA)