Brüssel - Island hat zum Auftakt seiner Beitrittsgespräche mit der Europäischen Union harte Verhandlungen über Fischerei angedeutet. Außenminister Össur Skarphedinsson sagte am Dienstag in Brüssel, in den Verhandlungen müssten einige Schwierigkeiten wie etwa beim Fischfang überwunden werden. Er sei bereit, dafür längere Gespräche in Kauf zu nehmen. Ein Datum, zu dem Island der EU beitreten könnte, wollte Skarphedinsson nicht nennen.
Der isländische Außenminister wies darauf hin, dass weltweit die Überfischung ein Problem darstelle, während die Fischerei in seinem Land nachhaltig sei, "auch wenn unser Fischfangsystem nicht ganz perfekt ist". Die Gewässer von Island würden auch nicht an EU-Staaten grenzen, sagte Skarphedinsson, der darauf verwies, dass Finnland bei seinem EU-Beitritt Ausnahmen zugestanden bekommen habe.
Außerdem betonte der Außenminister, dass Island über seinen Walfang mit der EU verhandeln will. "Wir haben einen nachhaltigen Walfang", betonte er. "Wir wollen, dass die EU anerkennt, dass dies Teil unserer Tradition ist." Dies müsse in den Gesprächen mit der EU zumindest angesprochen werden. "Man kann nicht von vornherein sagen: Island muss den Walfang stoppen."
"Historische Pressekonferenz"
Sowohl Skarphedinsson als auch der belgische EU-Ratsvorsitzende und Außenminister Steven Vanackere bezeichneten den Start der EU-Beitrittsverhandlungen mit Island bei einer gemeinsamen Pressekonferenz als "historisch". EU-Erweiterungskommissar Stefan Füle sagte zum weiteren Zeitplan, die Kommission wolle im November mit dem Überprüfung des isländischen Rechtsbestandes auf EU-Recht ("Screening") beginnen. Dieser Prozess soll bis Sommer nächsten Jahres abgeschlossen werden. Füle schloss nicht aus, dass bereits vorher die konkreten Verhandlungen in bestimmten Kapiteln eröffnet werden könnten.
Island müsse noch "mehr Anstrengungen" unternehmen in den Bereichen Fischerei, Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, freier Kapitalverkehr und Finanzdienstleistungen, sagte Vanackere. Fortschritte müsse Island auch noch bei der Justizreform und der Vermeidung von Interessenskonflikten machen.
Skarphedinsson plädierte trotz negativen Umfrageergebnissen in Island für den Beitritt seines Landes zur EU. "Der Antrag auf EU-Mitgliedschaft ist um Jahre zu spät gekommen", sagte er. Wäre Island schon vor fünf bis sechs Jahren der EU beigetreten und hätte den Euro übernommen, hätte der Zusammenbruch des isländischen Bankensystems in der Finanzkrise verhindert werden können, zeigte sich der Außenminister überzeugt. Skarpheddinson gab zu erkennen, dass die Verhandlungen über die Entschädigung der Regierungen in London und Den Haag für das Auszahlen von Internet-Kunden der pleitegegangenen Icesave-Bank die Beitrittsverhandlungen beeinflussen könnten, obwohl dies von der EU als bilaterale Frage betrachtet wird. "Ich würde es bedauern. Aber nicht jeder hält sich immer an die Regeln", sagte er. Wann mit einer Lösung in dieser Frage zu rechnen sei, könne er nicht sagen, "ich habe keine Kristallkugel", so der Minister.
Island sei wegen seiner Nähe zur Arktik, wegen erneuerbaren Energiequellen und dem Klimaschutz für die EU von strategischem Interesse, sagte Füle. "Wir kommen nicht mit leeren Händen", betonte auch der isländische Außenminister. Island verfüge über reichhaltige Erfahrung beim Fischfang, bei Geothermik und in der Arktik-Region, die im Zuge des Klimawandels neue Rohstoffressourcen und Transportrouten biete. Es dürfe aber kein schädlicher Kampf um neue Ressourcen entstehen, warnte er.
Füle zeigte sich besorgt von Mangelnder Unterstützung der Isländer für die EU-Beitrittsverhandlungen. "Wir brauchen mehr objektive Informationen über die EU", sagte er. Die Isländer sollten sich ihr Bild von der EU anhand von Fakten und nicht anhand von Ängsten und Mythen machen, so Füle. Dies sei in erster Linie Aufgabe dr isländischen Regierung, doch sei die EU bereit, hier Unterstützung zu leisten. Das Ergebnis der EU-Beitrittsverhandlungen müsste in einem Referendum von der isländischen Bevölkerung akzeptiert werden, bevor sein Land der EU beitreten könne, sagte Skarphedinsson. Der Rückgang von öffentlicher Unterstützung für die EU sei in Krisenzeiten nicht nur in Island ein Phänomen, auch in Kroatien sei die Unterstützung von 80 auf 34 Prozent gesunken, sagte er.
Gespräche auch mit Kroatien und der Türkei
Derzeit verhandelt die EU auch mit Kroatien und der Türkei um einen Beitritt. Während die Gespräche mit Kroatien nach Einschätzung von Diplomaten Mitte nächsten Jahres abgeschlossen werden können, treten die Gespräche mit Ankara seit Jahren auf der Stelle. Mazedonien, das ebenfalls offiziellen EU-Kandidatenstatus hat, wartet seit 2005 auf ein Datum für die Aufnahme konkreter Gespräche. Bisher hat Griechenland den Start von Verhandlungen mit Skopje wegen des ungelösten Streits um den Staatsnamen blockiert. Athen lehnt den Namen mit Verweis auf eine gleichnamige Region im Norden von Griechenland ab.
Außenminister Michael Spindelegger (V) drängte unterdessen auf ein weiteres Signal der Annäherung zwischen der EU und Serbien nach dem Gutachten des Internationalen Gerichtshofs (IGH). Dieser hatte festgestellt, dass die von Pristina (Prishtina) 2008 ausgerufene Unabhängigkeitserklärung von Serbien nicht gegen Völkerrecht verstoßen hat. Spindelegger sprach sich vor einem Treffen der EU-Außenminister am Montag in Brüssel dafür aus, dass die EU-Kommission im Herbst ein Gutachten ("avis") zu dem von Serbien gestellten EU-Beitrittsantrag durchführen soll.
Serbien hatte vor einem Jahr offiziell einen Antrag auf EU-Mitgliedschaft gestellt. Über die weitere Behandlung entscheiden die EU-Staaten einstimmig. "Das wäre ein nächster großer Schritt für Serbien", sagte Spindelegger. "Wichtig für Serbien ist, dass man eine Perspektive nach Europa konkret macht." Ein positives Gutachten der EU-Kommission ist Voraussetzung für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen. Dem Vernehmen nach stehen allerdings Staaten wie Deutschland und die Niederlande bei der weiteren Behandlung des serbischen Beitrittsgutachtens auf der Bremse. (APA)